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Unsterblicher Gentleman: Der Tycoon Benjamin Guggenheim war an Bord jenes Unglücksschiffs namens Titanic. Vor dem Untergang zog er seinen besten Anzug an und half seiner Geliebten, die im Gegensatz zu ihm von Bord gehen durfte, ins Rettungsboot.

© Wikimedia Commons

Jenseits von Kreuzberg: Wer sind eigentlich die Guggenheims?

Alle reden vom Guggenheim Lab und den Streit darüber. Aber wer ist eigentlich die Familie, die dahintersteckt?

Warum bloß reden alle über "das Guggenheim" und meinen damit ein Museum - und derzeit vor allem dessen umstrittenes "Lab" in Berlin. Wo es doch eigentlich "die Guggenheims" heißen müsste: Schließlich steht hinter dem Namen des schwerreichen US-Stifters eine Familie von dynastischem, „Dallas“-haftem Format. Sie versammelt Abenteurer, Ausbeuter, Kunstsammler und Auswanderer wie Simon Guggenheim, dem es Mitte des 19. Jahrhunderts in der Schweiz zu eng wurde. Als Jude hatte er die freie Wahl zwischen zwei Dörfern im Kanton Aargau – und siedelte dann doch lieber weit weg in Philadelphia.

Simon war Händler und Hausierer, ein Schuldner überschrieb ihm und seinem Sohn Meyer eine ertraglose Silbermine. Als man doch auf Edelmetall stieß, war die vielköpfige Familie plötzlich reich. Und mächtig: Wann immer der Verlust von Geld oder Ansehen drohte, zwangen die Guggenheims ihre Konkurrenz in die Knie. 1891 überließ Meyer seinen neun Söhnen das Geschäft, zog nach Florida und entdeckte eine neue Seite an sich: den Wohltäter.

Seine millionenschweren Nachkommen eiferten ihm nach. Sohn Isaac unterstützte Krankenhäuser, Murry investierte in die Kinderwohlfahrt und die Zahnpflege der New Yorker, Sohn Simon vergab Stipendien an amerikanische Künstler. Nur Benjamin kam mehr nach dem Großvater: Er reiste viel, mehrte den Wohlstand des Unternehmens mit neuen Ideen und bestieg im April 1912 jenes Unglücksschiff namens Titanic, das ihn als Gentleman unsterblich machte. Unzählige Filme haben erzählt, wie Benjamin Guggenheim zum Abschied nicht nur seinen besten Anzug anzog, sondern zuvor noch seiner Geliebten in ein Rettungsboot half.

Einer anderen Liaison verdankt sich das Solomon R. Guggenheim Museum, dieses berühmte Schneckenhaus in New York. 1928 lernte Solomon die weit jüngere Baronesse Hilla von Rebay kennen. Eine Malerin aus Deutschland, die ihm Chagall, Klee und Kandinsky erklärte. Mit Peggy Guggenheim verstand sie sich weniger gut, obwohl beide moderne Kunst liebten – vielleicht, weil Peggy ihre Leidenschaft auf das Sammeln von Männern ausdehnte. Ihr Onkel Solomon jedenfalls ließ von den Realisten ab, gründete 1937 eine Stiftung zum besseren Verständnis moderner Kunst und machte von Rebay zur Direktorin seines Museums an der Fifth Avenue, dessen Eröffnung er nicht mehr erlebte. Erhalten aber hat sich das Prinzip, wie man nun am BMW Guggenheim Lab sieht: Vor lauter Leidenschaft für eine Sache verliert man schon mal den Blick für die Tücken der Realität.

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