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Berlin: Wer soll das bloß alles kaufen?

In Lichtenberg und Mitte entstehen riesige Shopping-Center, die anderen Kaufhäusern Konkurrenz machen

Zwei Trauerkränze symbolisierten am Dienstag die Krise der Berliner Läden: Nils Busch-Petersen vom Einzelhandelsverband und die Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling legten die Gebinde an der Bauruine des unvollendeten Einkaufszentrums von Aldo Rossi an der Landsberger Allee in Lichtenberg nieder – um damit gegen ein weitaus größeres Projekt in der Nähe zu protestieren. Denn an der Landsberger Allee 358 soll bald das zweitgrößte Shopping-Center Deutschlands entstehen. Was viele Kunden freuen dürfte, ist aus Sicht der Kritiker eine „existenzielle Bedrohung“ für andere Geschäfte im Umkreis von einigen Kilometern.

Schon jetzt gibt es in der Umgebung große Einkaufs-Standorte wie das Forum Landsberger Allee, das Allee-Center und die Landsberger Spitze. Umstritten ist vor allem das Vorhaben des Hamburger Investors Helmut Greve am Hohenschönhausener Teil der Landsberger Allee. Greve will alte Lagerhallen durch ein Freizeit-, Erholungs- und Dienstleistungszentrum (FEDZ) ersetzen. Für den Handel sind dort 45000 Quadratmeter vorgesehen. Auf dem Nachbargrundstück will die Firma HFS Immobilien ihr Fachmarktzentrum vergrößern, in dem unter anderem schon „Möbel Max“ verkauft. Außerdem plant Ikea nebenan die dritte Filiale in Berlin. Insgesamt würden durch diese drei Projekte 119000 Quadratmeter Verkaufsfläche hinzukommen.

„Ikea ist noch das geringste Problem“, findet der Einzelhandelsverband. Schließlich habe der schwedische Konzern einen speziellen Kundenkreis und konkurriere nur begrenzt mit anderen Möbelhäusern. Ganz anders werde sich Greves geplantes FEDZ auswirken. Laut einer Studie, die das Hamburger Forschungsinstitut „GfK prisma“ für den Verband erstellt hat, könnten die anderen Center in der Nähe bis zu 30 Prozent ihres Umsatzes verlieren. Das Institut schlägt vor, die Verkaufsfläche im geplanten Zentrum auf 22000 Quadratmeter zu begrenzen.

Dazu dürfte es jedoch zu spät sein. Zwar hat der Investor den Bauantrag noch nicht gestellt, aber Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) hält die Größenordnung für vertretbar. Deshalb war der gestern niedergelegte Kranz der Grünen den „Opfern Striederscher Ansiedlungspolitik“ gewidmet. In einem so genannten Raumordnungsverfahren hatten sich die Länder Berlin und Brandenburg auf die zusätzlichen 119000 Quadratmeter Verkaufsfläche im Lichtenberger Teil der Landsberger Allee geeinigt.

Streit gibt es auch um andere künftige Center-Standorte in der Stadt. Seit Monaten protestieren der Handelsverband und die Grünen gegen ein geplantes Zentrum zwischen dem Alexanderplatz und der Jannowitzbrücke in Mitte. Senator Strieder hatte es gegen den Willen des Bezirksamts Mitte genehmigt. Auf dem Gelände, das wegen seiner Form „Banane“ genannt wird, plant die spanische Firma Sonae mindestens 35000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Der Kaufhof-Konzern überlegt nun, ob der seit langem geplante Ausbau seines Warenhauses am Alex angesichts dieser Konkurrenz noch Sinn macht.

Bis vor kurzem fürchteten Berliner Händler eher die in den 90er Jahren entstandenen Einkaufszentren im Umland – zum Beispiel den Kaufpark Eiche an der Grenze zu Marzahn. Deswegen habe man lange „übersehen, was hinter unserem Rücken in Berlin geschieht“, sagt Busch-Petersen. Es gibt aber auch eine gute Nachricht für die Geschäfte in der Stadt: Seit etwa drei Jahren kaufen Brandenburger viel mehr in Berlin ein als umgekehrt. Der Kaufkraft-Überschuss beträgt jährlich eine halbe Milliarde Euro zu Gunsten Berlins. Innerstädtische Center, auch neuere wie die Spandau Arcaden, trugen dazu wesentlich bei. Doch jetzt gibt es, zumindest nach Ansicht des Händlerverbands, genug „Bollwerke gegen die grüne Wiese“.

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