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© ddp/Imago

Parteien: Wer tritt zur Europawahl an?

31 Parteien und politische Vereinigungen stehen am Sonntag zur Wahl. Sie werben um Familien oder Senioren, Religiöse oder Esoteriker, um Bürgerbewegte, Frauen oder Tierfreunde – aber die meisten haben ein gemeinsames Problem: Kaum jemand kennt sie. Das wollen wir ändern

So lang war der Berliner Stimmzettel noch nie: 31 Wahlvorschläge, 94 Zentimeter, aber nur ein Kreuz ist erlaubt – viele Entscheidungsmöglichkeiten für die 2,5 Millionen Wahlberechtigten in Berlin. Neun Parteien mehr als bei der letzten Europawahl vor fünf Jahren. Kein Wunder: „Die Hürden sind nicht sehr hoch bei der Europawahl“, sagt Geert Baasen, Leiter der Geschäftsstelle des Landeswahlleiters Berlin. Zum Vergleich: Zur Bundestagswahl bräuchte eine Partei oder politische Vereinigung 32 000 Unterschriften, zur Europawahl reichten 4000.

„Die Wahlchancen vieler der kleinen Parteien sind bei der Europawahl gleich null“, schätzt Tanja Börzel, Leiterin der Arbeitsstelle für Europäische Integration an der FU Berlin. Aber im multikulturellen Berlin sei das Potenzial für eine vielfältige Parteienlandschaft weitaus größer als in einer Kleinstadt. Auch wenn eine Partei nicht über die Fünf-Prozent-Hürde kommt, lohne sich die Teilnahme – zumindest finanziell. Mehr als ein halbes Prozent Stimmenanteil reicht, um Zuschüsse von der staatlichen Parteienfinanzierung für den Wahlkampf zu bekommen.

Doch was wollen die vielen kleinen Parteien und politischen Vereinigungen, deren Wahlergebnisse meist unter „Sonstige“ zusammengefasst werden – und wer steckt hinter ihren teils bizarren Namen. Wir haben uns alle angeschaut.

EIN-THEMEN-PARTEIEN

Piratenpartei Deutschland: Der Ableger der schwedischen Piratenpartei wurde 2006 in Berlin gegründet. Mittlerweile gibt es elf deutsche Landesverbände. Die Partei setzt sich für informationelle Selbstbestimmung ein und fordert freien Zugang zu Wissen und Kultur sowie die Wahrung des Datenschutzes.

Für Volksentscheide: Die Wählergemeinschaft, die sich nicht als Partei, sondern als „demokratische Alternative“ bezeichnet, will mehr Mitwirkungsrechte der Bürger an politischen Entscheidungen. Ihr Ziel ist eine direkte Demokratie, in der die Gesellschaft sich selbst steuert. Hauptanliegen: ein bürgerfreundliches Europa und ein Deutschland mit bundesweiten Volksentscheiden.

Ab jetzt...Bündnis für Deutschland, für Demokratie durch Volksabstimmung: 1997 entstanden, tritt die Partei seit 2004 bei Wahlen an. Ihre Hauptforderung ist die stärkere Einbindung der Bevölkerung bei politischen Entscheidungen zu wichtigen Sachfragen und Gesetzen. Sie spricht sich gegen eine multikulturelle Gesellschaft aus.

Die Bayernpartei (BP): „Bayern loswerden? Dann wählt die Bayernpartei (BP)“ – so der Wahlslogan auf Plakaten der Süddeutschen zur Europawahl. Bayern soll wieder unabhängig werden, für dieses Ziel kommt der Partei auch antibayerische Stimmung recht – sofern sie sich in Stimmen auszahlt.

Feministische Partei Die Frauen: Die Partei will den politischen Einfluss von Frauen stärken und setzt sich für ein friedliches Europa ein. Das Programm gründet sich auf dem Leitgedanken der „gleichwertigen Vielfalt“.

Rentner-Partei-Deutschland und die Rentnerinnen und Rentner Partei: Beide Gruppierungen machen sich für Altersvorsorge, Gesundheit und Bildung stark. Andere Politikfelder werden nicht besetzt.

Die Grauen – Generationspartei: Nicht zu verwechseln mit „Die Grauen – Graue Panther“. Die 2008 gegründete Partei sieht sich nicht als Nachfolgerin der Seniorenpartei. Mit dem Wahlslogan „Die Pantherkralle schlägt zurück“ treten sie zur Europawahl an. Hauptforderung: eine „lebenswerte und menschenwürdige, abgesicherte staatliche Rente“. Damit dürfte die Zielgruppe klar sein.

Partei Mensch Umwelt Tierschutz: Die seit 1993 bestehende Partei hat bundesweit 1000 Mitglieder. Die Partei vertritt die untrennbare Einheit von Mensch, Tier und Umwelt. Neben allen wichtigen Politikfeldern rücken sie als einzige Partei die Tierrechte in den Vordergrund und fordern die Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz.

FÜR JEDEN ETWAS

Bündnis 90/Die Grünen: Ihr Hauptanliegen ist eine grünere und sozialere Europäische Gemeinschaft. Sie setzen sich ein für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung in der EU-Politik.

CDU: Die Christdemokraten haben die soziale Marktwirtschaft zu ihrem Leitbild für die Europäische Gemeinschaft erkoren. Im Unterschied zu allen anderen Parteien, die mit Bundeslisten antreten, hat die CDU Landeslisten aufgestellt, weil die bayerische Schwesterpartei CSU nur in und für Bayern antritt. So finden sich ausschließlich Berliner Kandidaten auf dem hauptstädtischen Wahlzettel.

SPD: Mit provokanten Wahlplakaten werben die Sozialdemokraten für ein sozialeres Europa.

FDP:
Die Liberalen fordern ein „schlankes, aber starkes“ Europa mit einer Sicherung der bürgerlichen Freiheitsrechte.

Familien-Partei Deutschlands: Die 1981 gegründete und circa 900 Mitglieder umfassende Partei sieht sich in der politischen Mitte. Die Familie gilt als zentrale gesellschaftliche Insitution, an deren Interessen sich die Politik zu orientieren habe.

Partei Aufbruch für Bürgerrechte, Freiheit und Gesundheit: Die 1998 gegründete Partei wendet sich gegen die Pharma-Industrie und fordert die Anerkennung von Alternativmedizin. Sie beklagt ein Demokratiedefizit und einen Überwachungswahn der Europapolitik. Außerdem fordert die Partei wegen angeblicher Gesundheitsgefährdung eine Welt ohne Mobilfunk.

Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP): Die rund 6500 Mitglieder zählende Partei setzt ihre Schwerpunkte in den Bereichen Umwelt, Familie und Demokratie. Ideologisch verortet sich die ÖDP in der politischen Mitte.

DIE ANTI-PARTEIEN

50Plus Das Generationen-Bündnis: Der Leitgedanke des 2004 von dem ehemaligen Berliner Landesvorsitzenden der Republikaner, Hans Werner Müller, gegründeten Bündnisses ist eine Anti-Parteien- Haltung. Außerdem lehnen sie das multikulturelle Gesellschaftsmodell und eine Erweiterung der Europäischen Union ab.

Freie Bürger-Initiative (FBI): 1994 als kommunale Wählergemeinschaft gegründet, strebt die Vereinigung nicht die „Abschüttelung der Parteienherrschaft“ an. Ansonsten steht die Nicht-Partei für ein „Europa der Bürger“.

FW Freie Wähler: Ihr Programm liest sich ähnlich wie das der Freien Bürger-Initiative. Sie sehen sich als Gegenentwurf zu Parteien. Ein einheitliches Bundesprogramm gibt es nicht, Entscheidungen sollen nach sachlichen statt parteipolitischen Kriterien getroffen werden.

Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo): Das Bündnis setzt sich für eine republikanisch-demokratische Staatsordnung mit christlichem Einschlag ein. Die Stärkung der Menschenrechte und ein erhöhter Lebensstandard sind Schlagwörter des populistisch anmutenden Parteiprogramms. Sie fürchten ein Diktat der EU.

DIE RECHTEN

DVU und Republikaner: Die Republikaner treten an mit dem Wahlslogan „raus aus dieser EU“. Die DVU bekennt sich zwar zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, vertritt jedoch laut Verfassungsschutzbericht 2007 fremdenfeindliche und rassistische Positionen.

DIE RELIGIÖSEN

Partei Bibeltreuer Christen: Basis für das politische Programm der seit 1989 bestehenden Partei ist die Bibel. Homosexualität wird als Sünde abgelehnt und als Persönlichkeitsstörung dargestellt. Damit Familien möglichst lange bestehen, sollen Scheidungen erschwert werden. Das Fundament der EU soll das Christentum sein. Ein Beitritt der Türkei wird abgelehnt.

Partei Christliche Mitte – Für ein Deutschland nach Gottes Geboten (CM): Sie streben eine Ausrichtung der Gesetze und politischen Institutionen nach christlichen Werten an. Auch hier: Familie ja, Homosexualität nein. Abtreibung ist tabu, der „EU-Zentralismus“ gehöre abgeschafft.

Partei für Arbeit, Umwelt und Familie, Christen für Deutschland (AUF): Von Ehemaligen der PBC gegründet, reiht sie sich ein in den Kanon gegen Homosexualität. Prominente Unterstützerin der 400 Mitglieder umfassenden Partei ist Eva Herrman. Forderung: einen Bezug zu Gott in der europäischen Verfassung zu verankern.

Die Violetten: Die 2001 gegründete Partei setzt sich für eine spirituelle Politik ein und fühlt sich dem Wohl allen Seins verpflichtet. Kirche und Staat sehen sie getrennt. Themen: Abschaffung der Krankenversicherungspflicht und ein neuer Arbeitsbegriff, inklusive Grundeinkommen und individuelle Entfaltung.

DIE LINKEN

Die Linke: Die Partei fordert eine europäische Verfassung, die zu Abrüstung und zivilen Konfliktlösungen verpflichtet. Demokratie wie Menschenrechte sollen darin verankert, Faschismus und Homophobie geächtet werden. Motto: ein demokratisches Europa.

Deutsche Kommunistische Partei (DKP): Die 1968 gegründete Partei wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Ihr Ziel: eine kommunistische und sozialistische Gesellschaftsordnung.

Partei für Soziale Gleichheit, Sektion der Vierten Internationale (PSG): In der Tradition Leo Trotzkis sieht sie sich als deutsche Sektion eines Internationalen Parteienbundes. Sie wollen die Vereinigung der Arbeiter aller Länder.

DIE EUROPÄER

Europa – Demokratie – Esperanto (EDE): Eine neue Sprache muss her, die alle Europäer sprechen: Esperanto. So die Forderung der politischen Vereinigung. Sie wollen die europäische Identität und Demokratie stärken.

Newropeans: Die politische Vereinigung setzt sich für ein transparentes Europa ein. Weniger Bürokratie, mehr Bürgernähe. Sie tritt nur zu EU-Wahlen an.

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