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Das ehemalige Haus der Statistik am Alexanderplatz soll umgestaltet werden.

© Paul Zinken/dpa

Wertvolles Bauland in Berlin: So könnte es rund um das Haus der Statistik mal aussehen

Erste Ergebnisse zum Bauvorhaben am Haus der Statistik liegen vor. Es soll ein Ort entstehen, der die schillernde Vielfalt Berlins wiederspiegelt.

Für Politiker und Investoren ist es der Horror: Ein Bauprojekt, wo jeder von Anfang an mitreden darf, nein, sogar soll! Sie fürchten Chaos, endlose Debatten und Begehrlichkeiten ohne Ende, widersprechende Interessen, die sich niemals unter einen Hut bringen lassen. Am Alexanderplatz ist es nun so weit: Bei der DDR-Ruine namens Haus der Statistik. Die hatte das Land Berlin dem Bund abgekaufte, uns Rot-Rot-Grün erklärte diese schon im Koalitionsvertrag zum Musterfall für die neue basisdemokratische Partizipation. Im Spiel sind 32 Hektar wertvollstes Bauland zwischen Scheunenviertel und Fernsehturm.

Am Mittwochabend stehen drei mit den Bürgern erarbeiteten Entwürfe für die Gestaltung des Areals zur Diskussion. Es ist ein gewaltiges Projekt mit einem Neubau an der Otto-Braun-Straße für das Rathaus Mitte, 300 Wohnungen zu günstigen Mieten. Platz für Gewerbe, für Vereine, Initiativen und Künstler. Dazu noch „experimentelle Wohnformen“. Das ganze auf rund 70000 Quadratmeter. Und das Haus der Statistik selbst wird auch noch saniert.

Zweijähriger Diskussionsprozess für zivilgesellschaftliche Vielfalt

Fast lautlos hatten zahllose Werkstätten, Arbeitsgruppen und Kolloquien die verschiedenen Interessen im Ringen um das Areal austariert. Zwei Jahre dauerte das. Und siehe da: Es geht. Jedenfalls steht der Zeitplan. Ende nächsten Jahres soll die Baugenehmigung erteilt werden. Danach könnten die Arbeiten beginnen. Das jedenfalls sagt Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD).

Rathaus der Zukunft

Gothe wird nicht nur die Baupläne bewilligen. Er plant selbst in dem Block das „Rathaus der Zukunft“ für Mitte. Ein offenes Rathaus soll es werden, das in den unteren Geschossen private Träger aufnimmt: Darunter werden Beratungen für Schuldner und Obdachlose sein, für die in dem Block ja außerdem auch Räume geplant sind. Eine Betriebskita ist vorgesehen und eine Kantine, die in Teilen in den Abendstunden als Restaurant Gäste empfangen soll. Ein rund um die Uhr offenes Rathaus fast schon, weil es auch Räume für Veranstaltungen geben wird.

Alles neu. Einer der Pläne, die nun den Bürgern vorgestellt werden.
Alles neu. Einer der Pläne, die nun den Bürgern vorgestellt werden.

© Gregor Lehmann

Auch Duschen für die Angestellten wird es im Rathaus geben. Komfort mit Hintergedanken: Möglichst viele Angestellte sollen aufs Fahrrad umsteigen, um den Verkehr in Mitte zu entlasten. Das kommt wiederum den Bewohnern des Bezirks zugute: weniger Feinstaub. Das offene Rathaus wird die Menschen im Kiez politisieren, so die Hoffnung. Die neue Bezirksverordnetenversammlung wird hier untergebracht, inklusive ihrer Ausschüsse – Politiker zum Anfassen oder wenigstens ansprechen. Eine Heimstätte der „lokalen Demokratie“ soll es sein.

Besser miteinander leben, glücklich in der Stadt

Wie radikal anders dieser Block werden soll, lehrt ein Gespräch mit Stadtaktivistin Maria Muñoz Duyos. Die Spanierin ist am Planungsprozess für die Umgestaltung beteiligt und sammelt Ideen von Menschen aus der Nachbarschaft. Von „Identität“, „Ästhetik der Arbeit“ und „Nachhaltigkeit“ spricht Muñoz Duyos, das Ziel ihres Wirkens bringt sie so auf den Punkt: „Besser miteinander und glücklich in der Stadt leben.“ Ja, sagt sie, das klinge sicher romantisch. Aber man täusche sich nicht: In Madrid hat Muñoz Duyos drei Quartiere nach diesem Grundsatz umgestaltet. Wie in Berlin hat sie Arbeitsgruppen mit Anwohnern gebildet und darauf geachtet, dass ein Querschnitt aller Schichten und Berufe repräsentiert ist. Eine Stadt für alle soll es eben sein – und nicht nur für einige, ob nun für Aktivisten oder Kapitalisten.

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Und obwohl am Alex so viele so viel und dazu noch grundlegend über die Pläne geredet, gestritten und gedacht haben, fällt kein böses Wort zum Verfahren bei der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) – im Gegenteil: „Wir sind im Zeitplan“, sagt Geschäftsführer Jan Robert Kowalewski. 300 Wohnungen baut die landeseigene Firma auf dem Areal, die Hälfte zu günstigen Mieten zwischen 6,50 je Quadratmeter. Dazu noch Räume, die sich für vielfältige Nutzungen eignen: für Künstler, ebenso wie für Initiativen von Senioren, Jugendlichen, für Yoga- und Theatergruppen, für Vereine und Aktivisten, für Cafés, Clubs und Restaurants – kurzum: für die zivilgesellschaftliche Vielfalt kurzum: für die zivilgesellschaftliche Vielfalt, die Berlin so schillernd macht. Mit vorgefertigten Ideen kämen die Planer der WBM nicht weit. „Agiler“ müsse man vorgehen. Hier schaffe eben nicht ein einzelner Investor 70000 Quadratmeter ortsüblicher Mietfläche. Hier laufe ein bis dato zweijähriger Diskussionsprozess über die Aufteilung der Flächen, über deren Gliederung, Nutzung sowie Vernetzung mit immer wieder neuen Impulsen, die Konzepte wurden angepasst und verbessert. „Professionalität“ bescheinigt die WBM der „Initiative Haus der Statistik“ bei der Steuerung dieses Verfahrens.

Gesellschaft und Stadt neu erfinden

Diebisch über den Erfolg des bisher ruhig auf dem Weg zur Baugenehmigung segelnden Projektes freut sich der Baustadtrat des benachbarten Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Florian Schmidt (Grüne) war einer der Mitbegründer der „Initiative Haus der Statistik“, bevor er politische Verantwortung übernahm. Nichts geringeres als „die Gesellschaft und die Stadt neu erfinden“ will Schmidt und das Haus der Statistik ist das Vehikel dazu. Die Beteiligung der vielen Gruppen der Zivilgesellschaft noch lange vor den ersten Skizzen zur Gestaltung des Areals sei ein völlig anderes Betriebsmodell als „einfach nur Mietflächen für den Kommerz“ abzuwerfen. Nach diesem neuen Modell will Schmidt ganz Friedrichshain-Kreuzberg umgestalten.

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