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© Doris Spiekermann-Klaas

Wetter: Frühling in Berlin

So sehnsüchtig wie dieser Frühling wurde lange keiner mehr erwartet – nach dem sonnenärmsten Winter seit 40 Jahren. Das Leben kehrt auf die Straßen zurück. Es blüht und zwitschert, die Stadt putzt sich heraus zur Freiluftsaison.

Monatelang war das Nest vor dem Fenster leer, kein Vogel wollte die löchrige Ruine wieder bewohnen. Nun zieht eine Elster ein. Ein paar Sonnenstrahlen, ein lauer Wind, der einen Hauch Blumenduft mit sich zu bringen scheint, und die Stadt ist wie verwandelt. Mit blauen und orangefarbenen Krokussen kehren die ersten zarten Farben in die Beete zurück. Die Berliner wirken unter dem Einfluss des plötzlichen Frühlingsausbruchs wie verwandelt: lächelnde Gesichter, in welches Straßencafé man auch blickt.

Alwin Mindl kennt diese Symptome. Kurze Zeit später beginnt für ihn die Saison. „Die Leute wollen sich in den ersten ein, zwei Frühlingswochen erst mal in die Sonne setzen und andere beobachten. Wenn das Bedürfnis ausgelebt ist, fängt unser Geschäft an“, sagt der Mann von der „Fahrradschmiede“. In dem Schöneberger Zweiradladen ist es momentan noch ruhig, dafür häufen sich die Reparaturaufträge. „Bei Rädern, die im langen Winter draußen waren, haben wir mit rostigen Ketten und Schrauben genug zu tun.“ Auf witterungsbedingten Aufschwung hoffen auch Berlins Gastwirte, das Wintergeschäft lief schlecht. „Das Wetter ist in unserer Branche ein extrem wichtiger Faktor“, erklärt Stefanie Heckel vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. „Wenn die beginnende Terrassensaison im April und Mai verhagelt ist, sind das Verluste, die man im ganzen Jahr nicht wieder aufholen kann.“ Nun muss die Sonne ran, die hat sich im sonnenärmsten Winter seit 40 Jahren genug erholt.

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Draußen-Zeit. Spazierengehen macht jetzt selbst bei Nieselregen Spaß: Die Luft ist lau, überall blühen die Blumenzwiebeln auf, wie hier in der Kastanienallee in Prenzlauer Berg. Umweltsenatorin Katrin Lompscher trat zusammen mit der BSR in Kreuzberg zum Frühjahrsputz an. Und Berlins Wappenbären Maxi und Schnute im Köllnischen Park haben ihren Winterschlaf beendet.

© dpa

DRAUSSEN SITZEN

Bis zu den ersten richtig warmen Tagen und lauen Abenden, an denen ein Besuch in Berlins Strandbars lockt, hat sie allerdings noch ein bisschen Zeit: Der Club der Visionäre am Flutgraben der Spree öffnet voraussichtlich am 18. April. Am 1. Mai macht auch die Bar 25 in Friedrichshain an der Holzmarktstraße auf – zum letzten Mal allerdings. Denn der Treff hat gegen das Projekt Mediaspree endgültig verloren, ab September will der Eigentümer BSR das gesamte Areal sanieren. Noch etwas später, am 14. Mai, eröffnet das Kiki Blofeld in Mitte die Freiluftsaison. Im Sommer dürfte es ein heiß begehrter Ort für das Public Viewing bei der Fußball-WM werden. Denn nirgendwo lässt es sich so entspannt im Rudel gucken wie in dem großen verwunschenen Ufergarten.

ANS WASSER

Wer aufs Wasser möchte, kann schon jetzt eine Bootsfahrt unternehmen. Denn einige Ausflugsschiffe sind bereits auf der Spree unterwegs, der reguläre Fahrplan der meisten Flotten startet Anfang April. Man kann sich aber auch in die S-Bahn setzen und den Ausflugslokalen an seinem Lieblingssee einen Frühjahrsbesuch abstatten: Für Fans des alten Loretta am Wannsee ist der erste Ausflug besonders spannend, er wird zeigen, ob sich der Charme des traditionsreichen Ausflugslokals im Kronprinzessinnenweg nach der Renovierung und Neueröffnung erhalten hat. Ab Ostern kann man hier wieder im Biergarten sitzen und dem Konzert der heimgekehrten Zugvögel wie Mönchsgrasmücke, Buchfink und Singdrossel lauschen. Auch abends kann sich ein Ausflug an die Berliner Seen für Vogelfreunde lohnen. Denn die Nachtigall, die ihren Winter südlich der Sahara verbringt und wie Kuckuck und Pirol ein Spätankömmling ist, bevorzugt Gewässer- und Waldränder.

BUNTE GÄRTEN

Doch auch in der Innenstadt hält der Frühling Einzug. Obwohl die Grünflächenämter wegen der späten Schneeschmelze und Nachtfröste noch mit der Beseitigung von Müll und Totholz zu tun haben, ist die Schmuckbepflanzung schon im Gange. So können sich die Besucher des Barockgartens am Schloss Charlottenburg an rund 54 000 Blumen erfreuen, darunter Tulpen, Hyazinthen, Tausendschön und Goldlack. Ab Montag sollen auch die 100 Pflanzschalen auf dem Ku’damm mit je 200 Stiefmütterchen bestückt werden, und am Pariser Platz werden bald die Blumenzwiebeln blühen. Im Tiergarten muss zunächst viel Strauchwerk ersetzt werden, da der Schnee zwar Bodenpflanzen gut geschützt hat, gefrässige Karnickel aber über die Eishügel an höher gelegene Sträucher herankonnten. Außerdem muss noch viel Laub von den Beeten entfernt werden. Harald Büttner vom Grünflächenamt Mitte rät Gartenbesitzern: „Bloß nicht wild drauflos harken, sonst werden die Keimblätter der jungen Pflanzen verletzt.“

Ein wenig wehmütig erinnert Büttner sich an die Zeit, als es in den Parks prächtiger blühte als heute. Die Einsparmaßnahmen der Bezirke lassen für Aufzucht und Kauf von Sträuchern, Pflanzen und Zwiebeln nicht mehr viel Geld übrig. So standen den Grünflächenämtern Tiergarten und Wedding 1993 fast sechs Millionen Euro zur Verfügung, jetzt sind es für den Gesamtbezirk Mitte etwas über anderthalb Millionen. Auch beim Personal wird gekürzt: Waren 1996 noch 3600 Mitarbeiter in Berlin mit der Pflege der Grünflächen betraut, sind es jetzt noch 1900. Ein Problem, denn die Parks bekommen immer mehr Zulauf durch Touristen und Berliner, die ihren Urlaub zu Hause verbringen. „Würden alle nach dem Grillen wenigstens ihren Müll entsorgen, wäre viel gewonnen“, sagt Büttner.

Das wäre doch ein guter Vorsatz für den ersehnten Sommer. Der ist nicht mehr weit, die nächste Etappe ist bald geschafft: Am 28. März werden die Uhren umgestellt, die Sommerzeit beginnt.

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