zum Hauptinhalt

Berlin: Wie es wohl der Neue macht?

Früher eröffneten sie Theater, gründeten Festwochen, feierten rauschende Feste und haben bis zu zwölf Jahre durchgehalten. Heute ist das alles etwas andersBrigitte Grunert Christoph Stölzl, der morgen im Abgeordnetenhaus als Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur zur Wahl steht, ist der Neue in einer stattlichen "Ahnengalerie".

Früher eröffneten sie Theater, gründeten Festwochen, feierten rauschende Feste und haben bis zu zwölf Jahre durchgehalten. Heute ist das alles etwas andersBrigitte Grunert

Christoph Stölzl, der morgen im Abgeordnetenhaus als Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur zur Wahl steht, ist der Neue in einer stattlichen "Ahnengalerie". Alle, die seit der Stunde Null 1945 für die Kulturpolitik der Stadt verantwortlich zeichneten, hatten es schwer. Aber gemessen an den Geldnöten seit den neunziger Jahren war es vor der Wende ein geradezu leichtes Amt. Und keiner hat nach so kurzer Zeit aufgegeben wie Stölzls Vorgängerin Christa Thoben (CDU), die am 23. März schon nach dreieinhalb Monaten zurücktrat.

Es mutet wie eine Kuriosität an, dass am Anfang Otto Winzer stand. Der spätere Außenminister der DDR war 1945/46 Volksbildungstadtrat im ersten Nachkriegsmagistrat von Groß-Berlin, der von der sowjetischen Besatzungsmacht eingesetzt worden war. Auch seine Nachfolger Siegfried Nestriepke und Walter May (beide SPD) spielten nur eine kurze Rolle, ohne besondere Spuren zu hinterlassen, sieht man davon ab, dass die Einheitsschule das einzige Anliegen war, das SPD und SED vor der Spaltung der Stadtverwaltung Ende 1948 gemeinsam gegen CDU-Proteste durchsetzten.

Mit dem ersten West-Berliner Senat wurde Anfang 1951 als Nachfolger Mays auch der erste herausragende Volksbildungssenator, zuständig für Kultur, Schule und Wissenschaft, gewählt: Joachim Tiburtius (CDU). Zwölf Jahre behielt er das Amt unter den Regierenden Bürgermeistern Ernst Reuter, Walther Schreiber, Otto Suhr und Willy Brandt. Tiburtius war Jurist und Volkswirt aus Liegnitz (Schlesien), ein Spross der Kaiserzeit, Jahrgang 1889. Er wurde zur Berliner Institution der Aufbaujahre mit üppigen Bundesmitteln. In seine Ära fielen die Wiedereröffnung des Schiller-Theaters, die Rückführung Berliner Museumsschätze, der Bau der Amerika-Gedenkbibliothek, der Wiederaufbau und die Neueröffnung der Deutschen Oper Berlin, die Neubegründung der Akademie der Künste, die Eingliederung der Hochschule für Politik in die FU, die Gründung der Festwochen und der Internationalen Filmfestspiele.

Auf den konservativen Intellektuellen Tiburtius folgte ein Linksintellektueller, nämlich der Physik-Professor Werner Stein (SPD), der ebenfalls zwölf Jahre amtierte - bis 1975 als Senator für Wissenschaft und Kunst; das Schulressort ist seither abgetrennt. Der gebürtige Berliner Stein hatte es schwerer als Tiburtius, denn seine Amtszeit war bald von den Auseinandersetzungen um die APO geprägt. Er setzte die Berliner Universitätsreform durch und förderte die 1963 gegründete Schaubühne gegen heftige Widerstände der CDU. Jenseits der Politik machte sich Stein einen Namen mit seinem "Kulturfahrplan", der bereits 1946 erstmals erschien. Steins Nachfolger Gerd Löffler (SPD), amtierte nur zwei Jahre bis 1977 als Senator für Wissenschaft und Kunst.

Als Dietrich Stobbe Anfang Mai 1977 Regierender Bürgermeister wurde, schickte Bundeskanzler Helmut Schmidt gleich zwei illustre SPD-Bildungspolitiker nach Berlin: Peter Glotz wurde Senator für Wissenschaft und Forschung, Dieter Sauberzweig für Kultur. Die Teilung des Ressorts war ein Signal, Berlin möge mit dem Kulturpfund wuchern. Sauberzweig hatte Geschichte und Philosophie studiert und beim Deutschen Städtetag Karriere gemacht. Er war ein stiller, aber effektiver Kulturpolitiker und Verwaltungsfachmann. Peter Glotz hatte sich in der Partei, im Bundestag und als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium einen Namen gemacht. Glotz bemühte sich intensiv um eine neue Hochschulpolitik; erstmals diskutierte wieder ein Senator mit Studenten. 1980 kehrte er nach Bonn zurück; er wurde SPD-Bundesgeschäftsführer. Sein Nachfolger wurde für kurze Zeit Günter Gaus, vormals Bonns Ständiger Vertreter in der DDR.

Die Wahl des Weizsäcker-Senats im Juni 1981 war eine Zäsur. Nun bestimmten für acht Jahre ausnahmslos CDU-Senatoren die Wissenschafts- und Kulturpolitik. Zunächst war der aus Kiel zugereiste Jura-Professor Wilhelm Kewenig zwei Jahre Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, dann bis 1986 nur noch für Wissenschaft und Forschung, gefolgt vom Jura-Professor George Turner bis 1989. Das Kulturressort führte von 1983 bis 1989 der Berliner Jurist Volker Hassemer. In Hassemers Zeit fiel der erste Versuch mit dem Kabelfernsehen und Privatsendern. Furore machte Hassemer mit seinem zweijährigen Kulturveranstaltungsmarathon zur 750-Jahr-Feier 1987 und zur Kulturstadt Europas.

Und wieder kam eine Zäsur. Im rot-grünen Momper-Senat 1989/90 zeichnete die Musikkritikerin Anke Martiny (SPD), die geschiedene Ehefrau von Peter Glotz, für das Kulturressort verantwortlich, die Soziologie-Professorin Barbara Riedmüller-Seel (SPD) für die Wissenschaftspolitik. Beide konnten keine Berge versetzen. Frau Riedmüller-Seel setzte immerhin in erbitterten Kämpfen mit den Grünen die Beibehaltung des Forschungsreaktors am Hahn-Meitner-Institut durch.

Mit der Einheit begannen die wirklich großen Herausforderungen im Zeichen der Neuordnung der Gesamtstadt und der Finanznot. Kein Bildungssenator hielt es im Diepgen-Senat der Großen Koalition länger als eine Wahlperiode aus. Wissenschaftssenator Manfred Erhardt kam als engagierter Fachmann 1991 aus dem Stuttgarter Ministerium für Wissenschaft und Kunst nach Berlin. Mit der Gründung der Hochschule für Technik und Wirtschaft, der Neuordnung der Humboldt-Universität und der Gründung von 17 Hochschulinstituten hinterließen der Jurist und CDU-Mann Erfolgsspuren. Gescheitert ist er mit seinem Plan, die Verschmelzung der Universitätsklinika Charité und Rudolf Virchow zu verhindern. Der damalige Kultursenator Ulrich Roloff-Momin war in der Berliner Politik- und Kulturszene kein Unbekannter. Er gehörte in den siebziger Jahren als FDP-Linker dem Abgeordnetenhaus an, verließ aber seine Partei 1983. Seit 1977 war er 14 Jahre Präsident der Hochschule der Künste; die CDU hatte gegen die Wahl des linken FDP-Mannes protestiert. Als Parteiloser wurde er auf Vorschlag der SPD Kultursenator. Mit Entscheidungen wie der Bestellung von Daniel Barenboim zum künstlerischen Leiter der Staatsoper, der Bestätigung von Harry Kupfer als Chefregisseur der Komischen Oper und der Überführung der Brecht-Bühne Berliner Ensemble setzte Roloff Momin setzte er zunächst wichtige Zeichen, fand sich aber bald in der Rolle des Krisenmanagers unter dem Diktat der knappen Kassen wieder. Er verfügte das Aus für die Freie Volksbühne im Westen. Einen bundesweiten Proteststurm erntete er wegen der vom Senat beschlossenen Schließung des Schiller- und Schloßpark-Theaters. Er ging als "Schiller-Killer" in die Annalen der Stadt ein und schied Anfang 1996 zur Senatsneubildung "im Zorn" aus.

Nun übernahm der Romanist, CDU-Parteipolitiker und begnadete Wahlkampf-Organisator Peter Radunski das wieder zusammengefügte Ressort für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Es war die Wahlperiode ständiger Spardebatten. Der Stolz Radunskis waren die Hochschulpläne, die den Universitäten mehr finanzielle Eigenverantwortung gaben. Mit Strukturveränderungen in der Kultur hatte er wenig Glück. Zur Senatsneubildung 1999 schied er amtsmüde aus. Seine Nachfolgerin, die Wirtschaftswissenschaftlerin Christa Thoben plagte sich nicht lange mit den von Radunski hinterlassenen Defiziten. Eberhard Diepgen und der Senat wollten ihr weder das Placet für schmerzhafte Einschnitte noch mehr Geld geben. So trat sie kurzentschlossen ab wie sie aus Nordrhein-Westfalen gekommen war. Bleibt die spannende Frage, wie der frühere Leiter des Deutschen Historischen Museums, Christoph Stölzl, das Erbe bewältigt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false