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Berlin: Wieder schutzlos

Jobcenter zieht aus rechtlichen Gründen Langzeitarbeitslose von Neuköllner Schulen ab.

Das Albert-Schweitzer-Gymnasium in Neukölln muss vorerst wieder ohne Wachschutz auskommen. Wie berichtet, hatten dort am Montag Ein-Euro-Jobber als sogenannte Schulstreifen gearbeitet, nachdem der bisherige Schulwachschutz vom Bezirk nicht mehr finanziert werden konnte. Bereits am Dienstag wurde der Einsatz wieder abgebrochen: Das Jobcenter Neukölln, das die Langzeitarbeitslosen bezahlt, stellte sich quer. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will sich erst am Donnerstag über eine Mündliche Anfrage im Abgeordnetenhaus zu dem Wachschutzproblem äußern, kündigte ihre Sprecherin an.

Weniger schweigsam ist der Geschäftsführer des Jobcenters Neukölln, Klaus-Peter Hansen: „Die Maßnahme wurde in dieser Form und an diesem Einsatzort nicht vom Jobcenter genehmigt und wird deshalb so nicht fortgeführt“, stellte er am Dienstag klar. Zwar habe das Jobcenter unter der Bezeichnung „Schulstreife“ eine Beschäftigungsmöglichkeit für Langzeitarbeitslose bewilligt. Die dort eingesetzten Kräfte hätten aber lediglich die Aufgabe, „Kinder im Straßenumfeld zu schützen“, sie sollten Schülern unter zwölf Jahren beim Überqueren der Straße helfen oder auf Spielplätzen Präsenz zeigen.

Ihr Einsatz als Wachschützer sei schon rein rechtlich nicht möglich. Solche Projekte dürften nicht den Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen. Er habe erst am Montag aus der Presse erfahren, dass der Einsatz der Schulstreifen „einseitig geändert“ wurde, sagte Hansen mit Blick auf Neuköllns Bildungsstadträtin Franziska Giffey (SPD).

Diese hatte am Freitag nach einer schnellen Lösung für das Gymnasium gesucht, nachdem Schüler dort ein drogenabhängiges Pärchen auf der Jungentoilette gefunden hatten. Zusammen mit dem Projektträger präsentierte sie schließlich die Schulstreifen. „Ich dachte, das sei eine Win-win-Situation für alle Beteiligten“, sagte die Stadträtin auf einer mit dem Jobcenter einberufenen Pressekonferenz. Nach ihren Angaben haben die Wachschützer in vier Jahren an den 16 beteiligten Schulen 400 Störfälle verhindert.

Am Einsatz der Ein-Euro-Jobber hatte es am Montag heftige Kritik gegeben. Dadurch öffne Berlin „den Arbeitsmarkt für eine Art des Lohndumping“, hieß es bei der GEW. Auch die Grünen halten es für „nicht akzeptabel, dass der Bezirk damit zur Verdrängung regulärer Arbeitsplätze beiträgt“. Die Neuköllner SPD sieht den Senat in der Pflicht, finanzielle Mittel für eine langfristige Lösung wie Pförtner oder Schließsysteme an Berliner Brennpunktschulen zur Verfügung zu stellen.

Noch in dieser Woche wollen sich nun Giffey, Hansen und der Träger zusammensetzen und nach Auswegen suchen. Die Schule leidet darunter, dass die nahe gelegene Hasenheide als Drogenumschlagplatz fungiert.

Ab dem Schuljahr 2012/13 könnte wieder ein regulärer Wachschutz ausgeschrieben werden, stellte Giffey in Aussicht. Der Bezirk habe sich am Dienstag klar dafür ausgesprochen. Ob es zu einer neuen Ausschreibung komme, hänge aber davon ab, ob der Senat den Bezirken zusätzliche Mittel zur Verfügung stelle.

Der Direktor des Albert-Schweitzer- Gymnasiums, Georg Krapp, weiß noch nicht, was an seiner Schule nun weiter passieren kann. Falls es darum gehe, dass die Projektkräfte nicht vor der Schule stehen dürften, sondern hin- und herlaufen müssten, könne man überlegen, die Streifen zwischen seinem Gymnasium und dem Ernst-Abbe-Gymnasium pendeln zu lassen. „Wir bemühen uns aber auch um andere Lösungen“, sagte er. Bald sollen neue Schlösser eingebaut werden.

Am Buckower Leonardo-da-Vinci- Gymnasium versuchen die Schüler, sich selbst zu helfen. Hier gab es einen Wachschutz wegen Übergriffen von Schulfremden auf dem Weg zur entlegenen Turnhalle. Nach dem Abzug der Wachmänner sollen jetzt die Klassensprecher dafür sorgen, dass die Schüler gemeinsam gehen, um sicherer zu sein. Das sei gar nicht so einfach zu organisieren, schildert Klassensprecher Dennis Hennemann die Erfahrung der ersten Tage.

Eltern des Leonardo-Vinci-Gymnasiums fragten sich gestern, warum diese Aufgaben an ihrer Schule nicht von Schulstreifen übernommen werden können. Schließlich gehöre Schulwegbegleitung zu den Tätigkeiten, die für die Ein-Euro- Jobber vorgesehen seien.Sylvia Vogt/Susanne Vieth-Entus

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