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Hasenheide, 19. Juni. Wenn sich Anwohner über nächtlichen Lärm beschweren, räumt die Polizei den Park. Manchmal dauert das Stunden.

© Emmanuele Contini/Imago

„Wir kämpfen um jeden Quadratmeter!“: Müll, Dreck und Vandalismus in Berliner Parks

Partys Tag und Nacht, Meetings, Familienfeiern: Alle gehen in den Park. Wie halten die Berliner Grünanlagen diesen Ansturm aus?

Schwarz getrampelte Wiesen, verkümmerte Sträucher, Parkbänke in der Spree. An einem verregneten Tag gegen Ende des Sommers sind die Menschenmassen verschwunden aus den Berliner Parks, zurück bleiben ihre Spuren.  

Die größten Schäden fallen erst in längerer Rückschau auf, ähnlich wie beim Klimawandel. Die Birken der Hasenheide sind so ein Fall. An die 80 habe es mal gegeben, erzählt Rainer Sodeikat, Zuständiger für die Grünanlagen in Nordneukölln. Zwei davon stehen noch, die seien aber auch „im Abgang“. Sodeikat wird im September 64 Jahre alt und schöpft aus reicher Erfahrung, wenn er von Parks und deren Besucher:innen erzählt.

Am Ende des zweiten Coronasommers, mit stadtweiten Berichten über Dauerpartys, Müllberge und Großeinsätze der Polizei, rechnet Rainer Sodeikat mit bis zu 50.000 Euro, die er am Ende des Jahres für Müllentsorgung ausgeben muss: „Der Gegenwert eines kleinen Spielplatzes, mit Rutsche und Buddelkasten, wird in die Gradestraße geschmissen“, wo sich ein Recyclinghof der Stadtreinigung befindet. Darunter sind auch Scherben von Pfandflaschen, denn die Hälfte werde „sinnlos zerkloppt“.

Zerstörte Grasnarbe in der Hasenheide.
Zerstörte Grasnarbe in der Hasenheide.

© Jürgen Held/Imago

Wenn vor Corona um die 400 Menschen in der Hasenheide feierten, dann kämen in der Pandemie bei gutem Wetter oft zehnmal so viele. „Die schwofen ja da rum“, sagt er. 8.000 Füße wie Presslufthammer. „Hops hops, die ganze Nacht hindurch“, mit DJ und Lichtanlage.

Tanz in der Hasenheide mit Bäumen als Kulisse einer Lightshow.
Tanz in der Hasenheide mit Bäumen als Kulisse einer Lightshow.

© Emmanuele Contini/Imago

Die abgestorbenen Bäume und der Bewegungsdrang vieler Menschen in den Parks hängen zusammen. Eichen, Buchen und Linden der Hasenheide sind zum Teil mehrere hundert Jahre alt, doch unter den Füßen von Tausenden stirbt die Krautschicht, die den Boden feucht und versickerungsfähig hielt. Die Sonne kann dann ungeschützt das letzte Wasser aus dem Boden ziehen.

Vor sechs oder sieben Jahren hat Rainer Sodeikat aufgehört, Rasen nachsäen zu lassen. Die Leute liefen selbst den rechenden Gärtner:innen ungerührt über die Aussaat. Sie machen auch nicht Halt vor Büschen und Sträuchern. Nach den Partys müssen abgebrochene Äste eingekürzt werden, um Bakterien und Viren nicht den Weg in die Pflanzen zu erleichtern. Die Stellen wären sonst offene Wunden, die nicht sauber verheilen können.

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Wie extrem sich die Nutzung der Grünanlagen unter Corona entwickelt hat, ist auch Mittes Umwelt-Stadträtin Sabine Weißler aufgefallen. „Wir kämpfen um jeden Quadratmeter“, sagt die Grünen-Politikerin. Es gebe zu wenig Erholungsflächen, schon für die Berliner allein reichten sie nicht. Das Gefühl der Enge sei schlecht fürs Benehmen, führe zu Aggressionen und großer Respektlosigkeit. Besonders negativ fiel im Bezirk der James-Simon-Park auf, den der Bezirk bis Ende August nachts sperren ließ.

Dicht an dicht. Partylaune im James-Simon-Park, 19. Juni 2021.
Dicht an dicht. Partylaune im James-Simon-Park, 19. Juni 2021.

© Paul Zinken/dpa

Zu einem Bild der Verwahrlosung tragen To-Go-Verpackungen bei, die aus Imbissen und Restaurants zum Essen in Parks getragen werden. Für verstopfte Mülleimer reichen ein paar Pizzapappen, Menüboxen und Tragetaschen. Der Rest wird „vom Winde verweht“, sagt Weißler. Weil Einwegverpackungen wenig wiegen, aber ein großes Volumen abgeben, wurden in Mitte im Coronajahr 2020 elf Tonnen weniger Müll entsorgt als im Vorjahr.

Den Trend zu Einwegverpackungen unter Corona hat auch die BSR beobachtet, die 79 von insgesamt 2.700 Berliner Parks reinigt. Darunter sind auch eher schwierige Anlagen wie der Görlitzer, Treptower oder Weinbergspark. Im letzteren haben die Stadtreiniger im Juni täglich 3,3 Kubikmeter Müll gesammelt, eine Steigerung um 1,3 Tonnen im Vergleich zum Juni 2019.

Wenn irgendwo in Berlin draußen und unter Einhaltung der Coronaregeln gefeiert werden soll, dann wohl am besten auf dem Tempelhofer Feld.
Wenn irgendwo in Berlin draußen und unter Einhaltung der Coronaregeln gefeiert werden soll, dann wohl am besten auf dem Tempelhofer Feld.

© Stefan Zeitz/Imago

Wo viele Menschen sind, entsteht viel Müll. Diese Formel trifft häufig zu, allerdings weniger in Gartendenkmälern. Der Lietzenseepark in Charlottenburg wird von seinen Besucher:innen offenbar mit einem für Berliner Verhältnisse seltenen Respekt behandelt. Dort herrsche eine gewisse Ruhe, es sei ein „anderes Klientel“ unterwegs. Das sagt Jochen Flenker, Leiter des Grünflächenamtes im Bezirk.

Eine andere Welt? Unterwegs am Lietzensee, Charlottenburg.
Eine andere Welt? Unterwegs am Lietzensee, Charlottenburg.

© Thilo Rückeis

Flenker zieht den Vergleich zum Wilmersdorfer Preußenpark, wo die Dinge leider nicht so gut laufen. Müll, Drogen, verkokelte Wiesen. Auch er beobachtet ein hohes Aggressionspotenzial. Dennoch, demotiviert seien sie nicht, seine Gärtner:innen. Der Bezirk hat mit dem Senatsprojekt der Parkläufer gute Erfahrungen gemacht. Auf die Menschen zugehen, Verständnis erzeugen, das wirke. Absperren will er die Grünflächen des Bezirks nicht.

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Bis zum Juli hat der Senat den Bezirken 14 Millionen Euro für die Pflege ihrer Parks zur Verfügung gestellt. Doch an Geld fehlt es nicht überall. „Wir finden die Leute nicht“, sagt Sabine Weißler mit Blick auf die schwierige Suche nach qualifizierten Firmen. Es läuft gut für Berliner Garten- und Landschaftsbauer, immerhin. Auch daran hat Corona seinen Anteil.

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