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Von der Straße ins Parlament. Aus der Klimabewegung heraus gründet sich eine Partei.

© Jens Büttner/dpa

Neue Klimapartei will ins Berliner Abgeordnetenhaus: „Wir sind ein positiver Gegenentwurf“

Die Klimabewegung will von der Straße ins Parlament, der Anfang soll „radikal:klima“ in Berlin gelingen. Bis 2030 soll die Stadt Netto-Null-Emissionen haben.

Antonio Rohrßen (26) abeitet in der Aktivismusförderung und war Mitorganisator der Volksinitiative „Klimanotstand Berlin“. Gemeinsam mit 50 anderen aus der Klimabewegung will er jetzt in Berlin die Partei „radikal:klima“ gründen.

Herr Rohrßen, warum konzentriert sich radikal:klima auf Berlin?
Die meisten von uns sind in Berlin zu Hause und wir sind davon überzeugt, dass wir hier den größten Hebel haben. Die UN prognostiziert, dass die Metropolen zum Treiber der Klimakrise werden. Gleichzeitig haben Städte die größte Chance, die Klimakrise aufzuhalten.

Wir sehen das als Aufforderung. Berlin hat eine große Strahlkraft für Deutschland und Europa. Wenn wir den Wandel hier schaffen, dann auch anderswo.

Die Verkehrs- und Umweltpolitik wird in Berlin von der grünen Senatorin Regine Günther gemacht. Sie werfen ihr „Lippenbekenntnisse“ vor. Warum?
Wir kritisieren den ganzen Senat, das gilt nicht nur für Frau Günther. Rot-Rot-Grün hat der Klimapolitik kaum Fortschritte gemacht. Man hat die Klimanotlage erklärt, aber daraus folgt zu wenig.

Die Koalition kann sich lediglich vorstellen, Verbrennungsmotoren bis 2035 aus Berlin zu verbannen. Unseren Berechnungen zufolge reicht das aber nicht. Wir brauchen schon 2030 eine Netto-Null-Emission.

Antonio Rohrßen ist Sprecher von "radikal:klima".

© promo

Was würden diese Netto-Null-Emission für Berlin konkret bedeuten?
Beim Bauen müssen wir erneuerbare Baustoffe nutzen, die in der Produktion weniger Co2 verbrauchen. Im Sektor Energie müssen wir komplett auf erneuerbare Energien setzen und die Netze umbauen. In der Solarenergie haben wir ein großes Potenzial, auch Geothermie ist interessant. Für den Bedarf, den wir nicht decken können, wäre eine Kooperation mit Brandenburg sinnvoll.

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Aus der Auto-Stadt muss eine Fahrrad- und Fußgängerstadt werden, die das beste ÖPNV-Angebot der Welt bekommt. Stichwort Luftverkehr: Nur weil keine Flugzeuge mehr fliegen, kommt das weltweite Leben nicht zum Erliegen. Wir müssen uns als Gesellschaft – und auch als BerlinerInnen – überlegen, wofür wir unsere Ressourcen einsetzen und was eher als Luxusgut gilt. In der Pandemie sieht man ja gerade, dass Verzicht durchaus möglich ist.

Stichwort Corona: Welche Chancen hat der aktuelle Lockdown für die Klimabewegung?
Der Vorstellungsraum wurde in den vergangenen Wochen enorm vergrößert. Was früher undenkbar erschien, wird auf einmal einfach umgesetzt – der Ausbau von Radwegen zum Beispiel. Wenn wir nach Corona unsere Gesellschaft und Wirtschaft klimafreundlich umstellen, profitieren wir davon alle.

Eure Gründung musstet ihr coronabedingt verschieben.
Wir planen den Gründungsparteitag jetzt im Sommer unter freiem Himmel. Aktuell sind wir 50 MitstreiterInnen, die komplett digital vernetzt sind. Das funktioniert, denn wir legen großen Wert darauf, dass wir wie in der Klimabewegung Care-Strukturen haben. Fünfstündige Marathonsitzungen gibt es bei uns nicht. Wir arbeiten gerade gemeinschaftlich an einem Klimaplan – BerlinerInnen und AktivistInnen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung. Das wird dann unser Wahlprogramm.

Umfragen zufolge könnte die Grünen in Berlin bei der Abgeordnetenhauswahl 2021 erstmals stärkste Kraft werden. Riskiert eine weitere Öko-Partei nicht den Erfolg der anderen?
Ich glaube nicht. Wir sind ein Gegenangebot für alle, die mit der Klimapolitik aller Parteien nicht mehr zufrieden sind. Unser Potenzial sehen wir vor allem auch bei Erst- und NichtwählerInnen.

Kann man als monothematische Partei Erfolg haben?
Wir sehen uns als Ein-Ziel-Partei, denn wir haben ein Ziel und dafür werden wir alle politischen Aspekte angehen. Um die Netto-Null-Emission zu erreichen, müssen wir an die Mobilitäts-, Wirtschaft-, Wohn- und Sozialpolitik ran.

Ihre Partei soll mehr „Idealismus ins Abgeordnetenhaus“ bringen. Was bedeutet das?
In der Klimabewegung haben wir Gespräche mit PolitikerInnen aus dem Abgeordnetenhaus geführt. Das Verständnis für die Problematik des Klimanotstands war da, aber nicht die Überzeugung, dass es möglich ist, etwas zu verändern. Da wollen wir mit viel Idealismus dagegenhalten. Wir sind ein positiver Gegenentwurf.

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