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Ob Brasilianer und Deutsche beim heutigen Halbfinale auch so miteinander feiern können?

© dpa

WM 2014: Berliner in Brasilien: Ein Monatsgehalt für die WM

Zwei Freunde aus Prenzlauer Berg sind auch in Brasilien – und stehen beim Jubeln schnell im Mittelpunkt. Einen ganzen Monatslohn gibt Joachim Rahmann aus, nur um ganz nah am Ball zu sein.

Zu sechst standen sie auf dem Fanfest in Brasília und sangen ihre Nationalhymne. Und plötzlich waren alle Blicke auf sie gerichtet. „Mit Beginn der Halbzeit wollte jeder ein Foto mit uns machen“, erzählt Martin Kemter.

Martin Kemter und Jan Dietrich, zwei Freunde aus Prenzlauer Berg, haben sich in Brasilien verabredet, um dort die Spiele der Fußball-WM anzuschauen. Die beiden haben sich beim Vereinsfußball in Prenzlauer Berg kennengelernt.

Jan Dietrich flog schon am 12. Juni zum Beginn der WM ins Gastgeberland. Zwei Wochen später folgte Martin Kemter, so dass die beiden Freunde den Sieg gegen Algerien zusammen in Rio de Janeiro besingen konnten. Anschließend haben sie noch an der Copacabana mit Einheimischen Fußball gespielt. „Als Fußballer war das für uns alle etwas ganz Besonderes“, schwärmt Martin Kemter.

Zum Viertelfinale reisten sie mit vier anderen Freunden weiter in die Hauptstadt Brasília, Karten für das Spiel der deutschen Mannschaft in Rio de Janeiro hatten sie nicht bekommen – dafür aber für das Viertelfinale zwischen Belgien und Argentinien in Brasília.

Hier sei der Rückhalt für das deutsche Team besonders groß gewesen, sagt Kemter. „Als wir nach einem ,Uffta’ wieder zur Besinnung kamen, standen überall Menschen mit Kameras, Handys und Mikros“, sagt der 22-Jährige.

Joachim Rahmann hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Es ist erstaunlich, dass sich die meisten Brasilianer so gut mit der Bundesliga auskennen“, sagt der Neuköllner, der in der 1. Mannschaft von BSC Eintracht/Südring in Kreuzberg das Tor hütet. Rahmann hat schon Erfahrung als WM-Reisender. „Als großer Fußball- und Reisefan ist das eine tolle Kombination“, sagt der 28-Jährige.

2010 absolvierte er ein Praktikum in Malawi, der Rückweg führte über Südafrika, wo er seinen Aufenthalt spontan verlängerte – für ein wenig WM-Stimmung vor Ort.

Dieses Mal hatte er seine Reise nach Brasilien fest geplant: von Recife über Salvador und Rio de Janeiro nach São Paulo. Joachim Rahmann sparte sich die rund 800 Euro für den Flug zusammen, hinzu kommen drei Stadionbesuche – etwa ein Monatsgehalt werde er ausgeben, sagt er.

Die Kosten für die Unterkunft spart er sich, er schläft bei anderen Privatpersonen auf dem Sofa, das sogenannte Couchsurfing ist kostenfrei, über eine Internetplattform lassen sich leicht Gastgeber finden – und so lernt der Neuköllner gleich Einheimische kennen.

Erst auf Nachfrage komme von denen die Ablehnung für die teuren Stadionbauten zum Vorschein. Joachim Rahmann beschreibt das als „ablehnend-ironische Skepsis“. Bei der WM-Eröffnung waren Fifa-Präsident Joseph Blatter und Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff noch ausgepfiffen worden. Entgegen den Erwartungen war danach von den Protesten relativ wenig zu sehen.

Ob das an dem bisherigen Erfolg der brasilianischen Seleção liegt? Die Berliner Fans vor Ort berichten von einer sehr positiven, feierlichen Stimmung. Joachim Rahmann empfindet den „teuren Stadionausbau in einem Land mit großer Fußballkultur und Stadien mit großer Geschichte“ auch als sinnlos.

Auch Martin Kemter hat von Ausschreitungen bisher nichts mitbekommen. „Hoffentlich bleibt das auch so, wenn es bei den Brasilianern nicht für den Titel reichen sollte.“

Was geschieht also, wenn die deutsche Mannschaft die Seleção am Dienstag (22 Uhr) aus dem Turnier wirft? Dann, sagen die Berliner Experten vor Ort, könnten sie nur hoffen, dass es im Finale gegen deren Erzrivalen Argentinien geht. Denn dann wäre wohl ganz Brasilien auf einmal ziemlich deutsch.

Karim El-Helaifi

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