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Historisches Dancebattle. Beim Malambo geht es eigentlich um einem Wettstreit – der kühnste Tänzer gewinnt.

© Diane Smither/promo

Argentinische Tanzshow "Che Malambo": Wo die wilden Kerle tanzen

Aus der Pampa nach Berlin: Die Show „Che Malambo“ mixt argentinische Gaucho-Tradition mit neuen Einflüssen.

Man stelle sich das einmal vor: Samstagabend in einem Berliner U-Bahnhof, die Stimmung ist aufgeheizt, junge Männer geraten in Streit. Vielleicht geht es um Geld, ein falsches Wort, wer weiß das schon. Zwei stehen sich gegenüber. Doch statt einer Schlägerei wird ein anderer Kampf entfacht: Beine wirbeln umher, kühne Bewegungen, die Umstehenden johlen, am Ende gibt einer auf. Der geschickteste Tänzer ist der Gewinner.

Ganz abwegig ist die Vorstellung nicht: Unter Gauchos, den Symbolfiguren der südamerikanischen Pampa, wurden Auseinandersetzungen einst so geregelt. Frühe Form des Dancebattles, könnte man sagen. Malambo heißt es dort, wo heute Argentinien liegt. Vor rund 400 Jahren entstand diese Tradition, die eben so viel mehr ist als ein Tanz. Nun kommt der Malambo für einige Shows nach Berlin – in die Stadt, in die Moderne, zu einem Publikum, das Männlichkeit und Ehre wohl anders beurteilt als argentinische Cowboys, die ja früher nicht viel mehr kannten als den riesigen Horizont und das Leben im Sattel. Für die gab es nur Pampa und Rinder, viel Freiheit, wenige Gesetze und kaum jemand, der die Einhaltung kontrollierte. Passt das hierher?

Das wichtigste Instrument: Die Füße

Gilles Brinas glaubt daran. Er ist der Erfinder und Choreograph der Show „Che Malambo“, die seit 2005, mit leichten Veränderungen, durch die Welt tourt. Die Zeiten als der drahtige Franzose selbst noch tanzte, sind längst vorbei. Früher war er mit berühmten Kompanien unterwegs, etwa mit dem „Ballet du XXe Siècle“ von Maurice Béjart, der in den 60er Jahren das Ballett revolutionierte und entstaubte.

Das sind die Wurzeln von Gilles Brinas, und so geht er nun selbst beim Malambo vor. Den entdeckte er zufällig Anfang der 70er Jahre bei einer Vorführung im Pariser Lido, die Faszination ließ Brinas nicht los. Als er sich entschied, aus dem Malambo etwas Eigenes zu machen, nahm er sich die Traditionen, klopfte überschüssigen Präriesand ab und brachte neue Elemente hinein, aus dem Ballett und dem Flamenco. „Mehr Herz, weniger Strenge“, erklärt Brinas. „Ein Gaucho lacht nicht, sonst kommt er schwach rüber und er will ja gewinnen.“

Doch bevor Brinas’ Männerdutzend lächelnd, ja, sogar johlend über die Bühne fetzt, beginnt die Show traditionell: ernsthaft, stolz. Melodie und Gesang spielen keine große Rolle im Malambo, allein der Rhythmus trägt, hier und da ergänzt durch eine Gitarre. Das wichtigste Instrument: Die Füße, die oft in schweren Stiefeln stecken, stampfen und krachen, so dass Eventhäuser rund um die Welt um ihr Parkett fürchten müssen. Manchmal bewegen sich die Beine so schnell, drehen sich Knie und Knöchel so absurd, dass man meint: Autsch, das tat weh! Da, gleich stolpert er! Aber Brinas’ Tänzer verziehen keine Miene, alles im Griff. Moderne Gauchos.

Die Wurfwaffe tanzt mit

Viele von ihnen haben den Malambo von klein auf gelernt. Seit der Gaucho nicht mehr Nomade und Tagelöhner ist, gehört der Malambo zur argentinischen Folklore. Auf Familienfeiern, bei Festivals und Wettbewerben lassen Männer die Hacken knallen. Dafür muss man kein Hirte, kein Cowboy mehr sein. Mutig aber, das hat sich nicht geändert. „Es ist tatsächlich kein ungefährlicher Tanz, man muss viel üben, und auch dann kann es passieren, dass man sich bei einer Drehbewegung einen Kreuzbandriss holt“, sagt Walter Kochanowski, der als kleiner Junge begann, Malambo zu tanzen und seit acht Jahren Teil von Gilles Brinas’ Truppe ist.

Und weil der Choreograph, diese graue Eminenz mit den funkelnd-dunklen Augen, mehr fordert und mehr will, ist „Che Malambo“ noch ein bisschen waghalsiger geworden: Gilles Brinas entdeckte die Boleadoras, eine Wurfwaffe der Gauchos, die sich um die Beine der Rinder schlingt – faustgroße Steine, an Seilen befestigt. Er verkleinerte sie etwas, ersetzte die Steine durch harte Plastikkugeln und integrierte die Schleuderbewegungen in die Show. Wer da nicht hochkonzentriert arbeitet, spürt es bald am eigenen Körper.

Vom Zuschauerraum ins argentinische Hinterland

Doch die Koordinationsfähigkeit der modernen Gauchos ist bemerkenswert. So schnell wirbeln sie die Boleadoras durch die Luft und über den Boden, dass es ein einziges Klackern und Surren ist. Tanz als Hypnose, im Publikum stehen Münder offen. Wie machen die das nur? Die Boleadoras tanzen wie Jo-jos auf und ab, wickeln sich um Arme und wieder ab, während die Beine der Tänzer ein Eigenleben zu führen scheinen. „Bauch und Oberkörper sind vollkommen angespannt, die Kraft kommt aus der Hüfte“, erklärt Gilles Brinas.

Mal stehen sich die Männer paarweise gegenüber oder in Teams, mal tanzt einer solo und die anderen antworten seiner Schrittkombination, dem Zapateo, mit ihren Füßen. Der Dialog der Zapateos steigert sich, wird schneller und lauter, dazu kommt das Knallen der Boleadoras, das Grollen der ziegenlederbespannten Bombo-Trommeln, Zwischenrufe – wer da die Augen schließt, glaubt sich nicht mehr auf einem Polsterstuhl im Zuschauerraum, sondern im argentinischen Hinterland. Rinder und berittene Gauchos ziehen vorbei. Die nägelbeschlagenen Sohlen der Truppe verwandeln sich in Hufe, das Jauchzen wird zum Wiehern.

Nach 75 Minuten ist das schweißtreibende Spektakel vorbei, die Männer sehen aus wie Gauchos am Ende eines langen Arbeitstages. Und das Publikum läuft zur U-Bahn, noch ein wenig Präriesand und Rhythmus im Ohr.

„Che Malambo“ gastiert vom 24. bis 29. Juli in der Komischen Oper, tgl. 20 Uhr, am 28. zusätzlich um 15 Uhr, am 29. nur 14 Uhr. Tickets ab 30,50 Euro unter www.komische-oper-berlin.de. Die Pressereise zu den Proben fand auf Einladung der Produktionsfirma statt.

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