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Runter von der Straße. Obdachlose haben ein Recht auf eine staatlich finanzierte Unterkunft. Doch oft bieten private Heimbetreiber nur das Allernötigste und kümmern sich nicht weiter um ihre „Mieter“.

© dpa

Berlin plant zentrale Vermittlungsstelle: Wohnungslose sollen Betten wie in einem Hotel buchen

In Berlin soll die Unterbringung von Wohnungslosen zentral gesteuert werden, um Bezirke zu entlasten. Wie das gehen soll, erklärt Sozialsenatorin Breitenbach.

Die Temperaturen liegen am Gefrierpunkt und darunter, die Nächte sind kalt, es regnet, Ostwind weht, der Alltag für Obdachlose ist im Winter besonders hart. Rund 35.000 Menschen, die auch keine Wohnung, aber Anspruch auf eine langfristige Unterbringung haben, bleibt dieses Schicksal derzeit erspart. Sie haben, vermittelt durch die Bezirke, zumindest ein Dach überm Kopf.

Aber nicht alle Behausungen bieten die gleiche Wohnqualität. „Es gibt Betreiber, die stellen wunderbare Unterkünfte bereit“, sagte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) dem Tagesspiegel, „aber es gibt auch Gegenbeispiele. Da findet ein unglaublicher Wildwuchs statt.“

Diesen Wildwuchs will sie so schnell wie möglich beenden, mit der „Gesamtstädtischen Steuerung von Unterkünften“ (GstU). Die Pilotphase dieses Projekts soll im Frühjahr 2021 beginnen und im Sommer abgeschlossen sein. Wann die GstU komplett funktionieren wird, konnte Breitenbach noch nicht sagen.

Aber die strategischen Ziele stehen schon jetzt fest. Jede Unterkunft soll Mindeststandards entsprechen. Der jeweilige Betreiber verpflichtet sich in einem Vertrag, diese Standards einzuhalten, und jeder Bezirk kann am Computer auf Knopfdruck für jeden Betroffenen die jeweils passende Unterkunft finden.

„Bei diesen Standards geht es nicht um Brandschutz oder Hygiene“, sagt Breitenbach, „das sind Selbstverständlichkeiten.“ Es gehe um andere Parameter. Ein Betreiber muss in Zukunft zum Beispiel ein Schutzkonzept für Frauen nachweisen oder eine entsprechende Zahl von Sozialarbeitern bereitstellen.

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„Wir wollen, dass den Menschen geholfen wird und sie beraten werden, sie sollen nicht viele Jahre in solchen Unterkünften leben müssen“, sagt Breitenbach. Zudem werden Mindeststandards für verschiedene Zielgruppen festgelegt. Dazu gehören zum Beispiel Barrierefreiheit oder die Möglichkeit, Haustiere in die Unterkunft mitzunehmen.

Die Unterbringung soll wie eine Hotelbuchung ablaufen

Am Ende, wenn das Projekt komplett umgesetzt ist, soll die Unterbringung eines wohnungslosen Menschen funktionieren wie eine Art Hotelbuchung. Am Computer kann dann jeder Sachbearbeiter sehen, wo eine Unterkunft für einen Menschen im Rollstuhl frei ist, in welchen Unterkünften jemand seinen Hund mitbringen kann oder wo jemand mit Suchtproblemen am besten untergebracht wird.

Bei der GstU, sagte die Sozialsenatorin, „werden wir uns jeden Platz in einer Unterkunft anschauen. Jeder Platz wird kontrolliert, dokumentiert und wenn es passt, in das Programm aufgenommen.“ Mittels einer Qualitätskontrolle würde dann jedes Platzangebot weiter beobachtet. „Und wenn die vereinbarten Standards nicht eingehalten werden, dann werden wir den Vertrag kündigen.“

Man werde sich nicht nur auf die Angaben eines Betreibers verlassen. Mit GstU könne man zugleich auch Sozialbetrug aufdecken, also Fälle, in denen Menschen zu Unrecht eine staatlich finanzierte Unterkunft belegen. Das Thema Sozialbetrug bei Unterkünften von angeblich Wohnungslosen ist erst vor Kurzem wieder öffentlich diskutiert worden.

Projekt ist mit den Bezirken entwickelt worden

Das neue Projekt ist nach Angaben von Breitenbach mit den Bezirken abgestimmt und entwickelt worden. „Ich weiß, dass die Unterbringung von Wohnungslosen viele Bezirke in Not bringt, da herrscht ja kein böser Wille“, sagte die Sozialsenatorin.

„Wir wollen mit dem Projekt die Bezirke unterstützen. Die wissen ja manchmal gar nicht mehr, wo sie die Leute untergebracht haben.“ Bisher agieren die Bezirke nicht einheitlich. Nicht alle Bezirke haben Verträge mit Betreibern, in denen klare Kriterien festgelegt sind. Es gibt auch Betreiber, die Menschen in Behausungen unterbringen, die Breitenbach „als möglicherweise nicht menschenwürdig“ betrachtet.

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Das Pilotprojekt startet in Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitte mit einer kleinen Zahl von Wohnungen. Diese Unterkünfte werden in ein Computersystem eingegeben, „und dann schauen wir, ob das funktioniert“, sagte Breitenbach.

Aufgrund der Corona-Situation sei aber nicht klar, wann das Pilotprojekt ganz genau starten kann. „Ich kann auch keinen Stichtag sagen, an dem alle Bezirke Zugriff auf das ganze Computersystem haben.“

Schon 2018 ist die Projektgruppe GstU gegründet worden, mit der Aufgabe, ein Computerprogramm zu entwickelt. Dessen Einführung hätte sogar etwas schneller gehen können. Allerdings, sagte Breitenbach, habe dann ein unvorhersehbares Problem zu gewissen Verzögerungen geführt: Corona.

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