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Abgeordnetenhaus: Wowereit erst im zweiten Wahlgang wiedergewählt

Die rot-rote Koalition in Berlin ist mit einem Eklat in ihre zweite Amtszeit gestartet. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) scheiterte im ersten Wahlgang und wurde erst im zweiten Anlauf wiedergewählt.

Berlin - Auf Wowereit entfielen im zweiten Wahlgang in geheimer Abstimmung 75 Ja- und 74 Nein-Stimmen. Damit erhielt er die erforderliche Mehrheit der abgegebenen Stimmen, allerdings versagte ihm offenbar ein Abgeordneter aus dem Regierungslager die Unterstützung. SPD und Linkspartei/PDS verfügen zusammen über 76 Mandate.

Im ersten Wahlgang hatten 74 Abgeordnete für Wowereit gestimmt. 73 votierten mit Nein bei zwei Enthaltungen. Damit fehlte eine Ja-Stimme für die Wahl des Regierungschefs. Dennoch fragte Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) Wowereit zunächst, ob er die Wahl annehme. Erst nach einer Mitteilung der Parlamentsverwaltung korrigierte er seinen Fehler.

Mompers Rücktritt gefordert

Die CDU forderte daraufhin Mompers Rücktritt. Der Parlamentspräsident müsste die Verfassung kennen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Frank Henkel. Momper sei ein "Parteienpräsident" und mache das "Parlament zur Beute der SPD".

Nach der Abstimmungsniederlage Wowereits war die Plenarsitzung unterbrochen worden. SPD und Linkspartei zogen sich zu getrennten Fraktionssitzungen zurück. Die Enthaltungen stammten vermutlich aus dem Regierungslager. Wer die Abweichler waren, konnte nicht festgestellt werden. Den Verdacht, wonach sie aus der Fraktion der Linkspartei kamen, wies Sprecherin Kathi Seefeld zurück. Sie sei sich "völlig sicher", dass alle Abgeordneten für Wowereit gestimmt hätten.

In der Linkspartei war nach ihren großen Verlusten bei der Abgeordnetenhauswahl vor zwei Monaten eine erneute Regierungsbeteiligung umstritten. Auch mehrere Fraktionsmitglieder hatten den Gang in die Opposition gefordert.

Opposition attackiert Rot-Rot

In einer politischen Grundsatzdebatte hatte die Opposition Rot-Rot zuvor scharf attackiert. Nach Darstellung von CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger fehlt der Koalition der Wille und die Entschlossenheit, nach dem Scheitern der Klage auf Sanierungshilfen des Bundes Probleme wie hohe Schuldenlast und Arbeitslosigkeit aus eigener Kraft zu lösen. Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig betonte, Rot-Rot betreibe unter anderem mit der Gemeinschaftsschule vor allem Klientel-Politik. Jede andere Koalition wäre nach Auffassung von FDP-Fraktionschef Martin Lindner besser für Berlin als Rot-Rot.

Dagegen sagte SPD-Fraktionschef Michael Müller, Rot-Rot habe ein Regierungsprogramm, das Berlin in den nächsten Jahren "spürbar voranbringen wird". Es setze auf wirtschaftliche Dynamik und soziale Verantwortung. Zugleich werde der Kurs der Haushaltskonsolidierung fortgeführt. Aus Sicht von Linkspartei-Fraktionschefin Carola Bluhm werden mit dem Koalitionsvertrag die Weichen für eine "sozial gerechte Gestaltung Berlins" gestellt.

Nach der Vereidigung Wowereits unterbrach Momper die Plenarsitzung für etwa eine Stunde. Der Regierungschef wollte an seinem Amtssitz im Roten Rathaus den fünf SPD- und drei Linkspartei-Senatoren die Ernennungsurkunden überreichen. Anschließend sollten sie im Parlament vereidigt werden.

Lafontaine und Gysi bedauern fehlende Stimmen

Die Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, begrüßten die Wahl von Wowereit zum Regierenden Bürgermeister, kritisierten aber das abweichende Stimmverhalten aus den Reihen von Rot-Rot. Lafontaine sagte dem Tagesspiegel zugleich: "Ich stand und stehe der Koalitionsvereinbarung skeptisch gegenüber. Abgeordnete der Koalition, egal ob von SPD oder Linkspartei/PDS, müssen verlässlich sein und sich an Absprachen halten."

Gysi betonte nach einem "herzlichen Glückwunsch" für Wowereit: "Ein schwerer Anfang spricht für ein besseres Ende." Er hoffe und glaube, dass die Wowereit fehlenden Stimmen nicht aus den Reihen der PDS gekommen seien, sagte Gysi dem Tagesspiegel. "Ganz sicher" sei er dabei aber auch nicht. "Es gibt immer ein, zwei Wichtigtuer, die im Wahlkampf anders reden, sich alles von der Partei bezahlen lassen, aber dann meinen, klare Mehrheitsbeschlüsse der eigenen Partei negieren zu dürfen, und das nicht einmal offen." Die Wortführerin der Kommunistischen Plattform in der PDS, Sahra Wagenknecht, wäre hingegen froh, dass es "auch in unserer Fraktion Leute gibt, die ein Weiter so nicht wollen", wie sie dem Tagesspiegel sagte.

Wowereit ernennt Berliner Senatoren

Nach seiner Wiederwahl hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit im Roten Rathaus die Berliner Senatoren ernannt. Im Wappensaal überreichte erstmals das Stadtoberhaupt den acht Regierungsmitgliedern die Ernennungsurkunden. In der Vergangenheit waren die Senatoren vom Abgeordnetenhaus einzeln gewählt worden. Anschließend stellte sich die neue Regierung zum ersten Gruppenfoto auf der Rathaustreppe auf.

Bürgermeister und damit Stellvertreter Wowereits sind in der neuen Regierung Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei). Senator für Bildung und Wissenschaft wird Jürgen Zöllner (SPD). Innensenator bleibt Ehrhart Körting (SPD), Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Zur Justizsenatorin wurde Gisela von der Aue (SPD) ernannt, zur Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei). Sozialsenatorin ist weiterhin Heidi Knake-Werner (Linkspartei). (Tsp/tso/ddp)

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