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Berlin: Wowereit macht Stasi-Überprüfung zur Chefsache

Im Streit um die Stasi-Überprüfung neuer Senatoren geraten die Berliner SPD und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zunehmend unter Druck aus den eigenen Reihen. Am Dienstag kündigte der Mitbegründer der Ost-SPD und langjährige Bezirksbürgermeister von Friedrichshain, Helios Mendiburu, seinen Austritt aus der Partei an.

Im Streit um die Stasi-Überprüfung neuer Senatoren geraten die Berliner SPD und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zunehmend unter Druck aus den eigenen Reihen. Am Dienstag kündigte der Mitbegründer der Ost-SPD und langjährige Bezirksbürgermeister von Friedrichshain, Helios Mendiburu, seinen Austritt aus der Partei an. Er wolle damit gegen das Regierungsbündnis mit der PDS protestieren, erklärte der 65-Jährige. Letzter Anstoß sei aber die Haltung der rot-roten Koalition gewesen, die Ergebnisse der routinemäßig anstehenden Stasi-Überprüfung der Regierungsmitglieder nicht automatisch öffentlich zu machen. Hierbei geht es vor allem um das Verhältnis des Wirtschaftssenators Gregor Gysi (PDS) zur DDR-Staatssicherheit. Er hat bislang stets bestritten, Kontakt mit der Stasi gehabt zu haben. Auch konnte ihm eine Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter bisher nicht nachgewiesen werden.

Der Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Martin Gutzeit (SPD), sagte: "Ich kann Mendiburu gut verstehen." Sollte der Senat weiterhin die generelle Offenlegung der Stasi-Überprüfung seiner Mitglieder ablehnen, "wird er es nicht schaffen, das Vertrauen der Stadt zu gewinnen."

Klaus Wowereit bekräftigte nach Mendiburus Schritt seine bisherige Position, dass er nach der Stasi-Überprüfung seiner Senatsmitglieder "von Fall zu Fall" entscheiden werde, ob und in welchem Umfang er die Ergebnisse veröffentliche. Rechtlich kann sich der Regierungschef auf eine Dienstanweisung des Senats von 1993 berufen. Darin ist vorgeschrieben, dass auch Senatoren und Staatssekretäre auf eine frühere Tätigkeit für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit überprüft werden müssen. Das Ergebnis wird dem Dienstvorgesetzten - also Klaus Wowereit - vorgelegt. Eine Pflicht zur Veröffentlichung gibt es aber nicht. Die Auskünfte der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen sollen "in einem verschlossenen Umschlag" der Personalakte beigefügt werden. Wie wenig diese auf Staatssekretäre, Beamte und leitende Angestellte gemünzte Vorschrift im Falle Gysi der Realität entspricht, zeigt ein Detail: Als Senator hat er bislang gar keine Personalakte, in die sein Überprüfungsergebnis aufgenommen werden könnte. Auch unterliegen Senatoren im Gegensatz zu Beamten nicht der Kontrolle der Verwaltung, sondern eigentlich der des Parlaments. Aber dieses wiederum wird über das Ergebnis der Stasi-Überprüfung nicht automatisch informiert.

Die Oppositionsparteien CDU und Grüne hatten vergangene Woche versucht, die rot-rote Koalition zu einer Selbstverpflichtung zu bewegen. Danach sollten sie alle Ergebnisse der Stasi-Überprüfung öffentlich machen. Ihre Anträge hatten bei der konstituierenden Sitzung des Abgeordnetenhauses eine kurze, erregte Debatte ausgelöst. Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) lehnte eine Abstimmung jedoch mit einem formalen Argument ab: Angesichts der geltenden Regelung seien die Anträge nicht abstimmungsfähig.

Was eine neuerliche Stasi-Überprüfung Gysis erbringen könnte, ist umstritten. In Wowereits Umfeld geht man davon aus, dass kaum Informationen zu erwarten sind, die über die Erkenntnisse des Bundestags-Immunitätsausschusses von 1998 hinausgehen. Der Sprecher der Stasi-Beauftragten Marianne Birthler, Christian Booß, betont jedoch, dass ständig neues Material erschlossen werde. Immerhin sei der Großteil von Gysis Akte nach wie vor verschwunden: "Da sind jeden Tag neue Funde möglich."

Aus Sicht des Friedrichshainer SPD-Chefs Stefan Zackenfels ist Mendiburus Schritt "ein schwerer Schlag" für die Partei. Mendiburu war 1990 der erste demokratisch gewählte Rathauschef im Bezirk und dort bis zur Fusion mit Kreuzberg im Jahr 2000 Bürgermeister. In der DDR hatte er als politisch Verfolgter zwei Jahre in Haft gesessen. Auch die SPD-Führung bedauerte Mendiburus Entschluss. "Eine Signalwirkung hat das aber nicht", sagte Parteisprecherin Anja Sprogies. Nach ihren Angaben haben bislang etwa 100 Genossen die Partei aus Protest verlassen.

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