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Senatorin Ingeborg Junge-Reyer und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.

© Guenter Peters

Junge-Reyer: Wowereits Frau für schlechte Nachrichten

Bau, Verkehr, Planung: Senatorin Junge-Reyer hat in ihrem Ressort viele Baustellen. Jetzt wird die Kritik an der SPD-Politikerin immer lauter, vor allem angesichts der rasant steigenden Mieten.

Von Sabine Beikler

Sie ist die Frau für schlechte Nachrichten: umstrittene Bebauungen und Verdichtungen, flächendeckende Parkraumbewirtschaftung, das Hickhack um Tempelhof, Berlins S-Bahn-Chaos ohne Ende, die Verlängerung der umstrittenen A 100. Und heute wird die SPD-Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer wohl die nächste Hiobsbotschaft verkünden: Die Wohnungen in Berlin werden laut Mietspiegel wohl noch teurer. Innerhalb der SPD wird die Kritik allmählich laut, man möge sich in der eigenen Regierungsbank endlich bewusst machen, dass die Mietenentwicklung wirklich ein Problem darstellt. Junge-Reyer ist als Senatorin zunehmend umstritten. Aber sie will weitermachen – wie auch andere Sozialdemokraten.

Die SPD vor der Wahl: Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner, 64, hat genug von der „Ruppigkeit“ in der Politik und hört im September auf. Innensenator Ehrhart Körting, anerkannt durch seine Mischung aus Besonnenheit und Härte, ist mit fast 69 noch nicht amtsmüde. Justizsenatorin Gisela von der Aue, 61, würde wie der parteilose, für die SPD amtierende Finanzsenator Ulrich Nußbaum, 54, gerne weitermachen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, 57, ist als Amtsinhaber und Spitzenkandidat ohnehin gesetzt. Wowereit lässt sich auf keine Spekulationen über seine Senatoren und potenzielle Amtsnachfolger ein. Er sagt nur: „Ich freue mich, dass ich Senatoren wie Körting und Junge-Reyer habe, die auch bundesweit Gehör finden.“

Junge-Reyer, bald 65 Jahre alt, ist Berliner Bürgermeisterin, Sprecherin der SPD-regierten A-Länder in der Bauministerkonferenz und Sprecherin im Bundesrat. Sie ist eloquent, redet stets druckreif und ist in der Partei gut vernetzt. Als Peter Strieder 2004 zurücktrat, war seine damalige Staatssekretärin die ideale Nachfolgerin. Junge-Reyer zog nach jahrelangem Streit mit Peter Zumthor um Kosten und Gestaltung der Topographie des Terrors die Reißleine und stoppte auch Strieders Umbau des Boulevards Unter den Linden wegen der unklaren Finanzierung. Ruhig brachte sie die Ideen der sozialen Stadt wie das Quartiersmanagement nach vorne. Das war nach der Hoppla-jetzt-komm-ich-Art von Strieder etwas wohltuend Neues.

Aber dann wurde sie von dem Moloch Verwaltung eingeholt, verschanzte sich hinter einem Stab aus vornehmlich weiblichen Vertrauten wie Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Junge-Reyer vermeidet es, sich bei konfliktträchtigen Themen, die auch in ihre Zuständigkeit fallen, öffentlich festzulegen. Beispiel Schlossbau: hat Wowereit auf den Weg gebracht. Und mit der Zukunft des ICC hat sich Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) herumgeschlagen. Wowereit mischte sich immer öfter in Fragen zur Stadtentwicklung ein. Vor zwei Jahren befürwortete er die historische Rekonstruktion der Freifläche zwischen Schlossneubau und Rotem Rathaus, während Junge-Reyer auf den städtebaulichen Wettbewerb setzte. Er kritisierte öffentlich die Gestaltung des Alexanderplatzes, er tütete den langfristigen Mietvertrag für die Modemesse Bread and Butter für den Flughafen Tempelhof ein. Und er warf – mit Parteichef Michael Müller – als A-100-Befürworter sein politisches Gewicht bei der Abstimmung auf dem Parteitag im Vorjahr in die Waagschale: Nur fünf Stimmen Mehrheit gab es für den Ausbau. Ob Junge-Reyer als A-100-Verfechterin die Genossen überzeugt hätte, darf bezweifelt werden.

„Mach doch mal den Strieder“, soll Wowereit seine Senatorin aufgefordert haben, mehr Gestaltungswillen zu zeigen. Berliner Architekten ärgern sich über zu wenig Wettbewerb, zähneknirschend stimmen SPD-Politiker Bebauungsplänen der Bauverwaltung zu. Und die Themen Mediaspree oder der Bau der Mercedes-Zentrale in Friedrichshain-Kreuzberg überlässt Junge-Reyer völlig dem Bezirk. Für das S-Bahn-Chaos kann man sie zwar nicht verantwortlich machen. Aber relevante Entscheidungen hat sie auf die Zeit nach der Wahl verschoben. Aber jetzt kommen die Mietsteigerungen im Wahlkampf. Die Linke ist sehr verärgert über die halbherzige rot-rote Gegenstrategie. Auch in der SPD rumort es: Junge-Reyer weigere sich, Verdrängung und immer weniger bezahlbare Wohnungen als Problem anzuerkennen, heißt es.

In der Causa könnte die Altersfrage weiterhelfen. Das Durchschnittsalter der SPD-Senatoren liegt bei 61 Jahren. Für einen Neuanfang nach der Wahl fordern jetzt schon viele SPD-Mitglieder neues und jüngeres Personal – neben Klaus Wowereit.

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