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Berlin: Zeitbomben im Untergrund

Hunderte Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg liegen noch in Berlin. Viele sind schwer zu entschärfen

Noch etwa 25 Jahre lang werden in Berlin Blindgänger gefunden, schätzen die Experten der Polizei auf der Grundlage der Statistiken der Alliierten. 500 000 Tonnen Bomben haben die Kriegsgegner der Deutschen im Zweiten Weltkrieg über Berlin abgeworfen, 25 000 bis 75 000 Tonnen explodierten nicht und blieben als Blindgänger liegen. Seit 1948 wurden 10 000 davon unschädlich gemacht, die meist nach der Auswertung von alliierten Luftaufnahmen gefunden worden waren.

Die 500-Kilo-Bombe britischer Produktion, die am Donnerstag Unter den Linden entdeckt wurde, war mit einem „chemischen Langzeitzünder mit Ausbausperre“ versehen. Diese Sperre, eine Erfindung aus den letzten Kriegsjahren, sollte den gegnerischen Sprengmeistern die Entschärfung unmöglich machen, „Entschärferfalle“ nennt Engin Laumer, einer der Polizeifeuerwerker, diese Ausbausperre, sie habe im Krieg vielen Entschärfern das Leben gekostet.

Diese Sperre hat am Donnerstag stundenlang den Bezirk Mitte lahm gelegt. Denn um die Falle zu umgehen, muss die Bombe „kontrolliert“ gesprengt werden. Mit einem Akkuschrauber bohren die Experten zwei kleine Löcher in die Stahlhülle und stecken zwei Sprengschnüre hinein. Zweieinhalb Gramm Sprengstoff reißen dann den Zünder quasi heraus, die eigentlichen 250 Kilogramm Sprengstoff (weitere 250 Kilo wiegt der Stahlmantel) detonieren nicht.

Wenn der Bauarbeiter mit der Baggerschaufel den Blindgänger zur Detonation gebracht hätte, wären die Folgen verheerend gewesen, sagen Experten. Durch die Druckwelle wären die Fassaden der umliegenden Häuser zerstört worden, viele Passanten auf dem gegen 15 Uhr stark belebten Boulevard wären getötet worden. Da die Polizei stets vom schlimmsten Fall ausgeht, wurde die Umgebung während der fünfstündigen Entschärfung weiträumig gesperrt. Die Feuerwerker ordnen je nach Bombengröße den Sicherheitskreis an.

Wie berichtet, hatte der Baggerfahrer den Blindgänger um 15 Uhr in etwa drei Meter Tiefe entdeckt, die Bombe steckte stehend, mit dem Zünder nach unten, im Sandboden. Deshalb ist dieser Blindgänger auch nicht bei der vorherigen Auswertung von Luftaufnahmen entdeckt worden. Dieser genaue Blick auf die Fotos der Alliierten ist seit der Bombenexplosion auf einer Friedrichshainer Baustelle im Jahr 1994 Pflicht bei Bauarbeiten öffentlicher Auftraggeber, sagte Petra Rohland von der Senatsbauverwaltung; eine Gewähr, jeden Blindgänger zu entdecken, gebe es jedoch nicht. Derzeit wird Unter den Linden nicht nur die Straße umgestaltet, um breitere Gehsteige zu schaffen. Auch eine alte Fernwärmeleitung, die in drei Metern Tiefe liegt, wird von der Senatsverwaltung im Auftrag der BVG beseitigt, damit später der Bau der U-Bahn-Linie 5 nicht behindert wird. Man nutze die Umgestaltung des Boulevards, um die alte Leitung wegzuräumen, sagte Rohland.

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