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Berlin: Zeugen mit Perücke

Im Strafprozess treten Polizisten oft anonym auf Morgen entscheidet darüber das Verwaltungsgericht

Aus Protest gegen die Praxis der Polizei, ihre Beamten bei Gerichtsverhandlungen vermummt und anonym auftreten zu lassen, hat die linke Szene jetzt eine Liste der von der Polizei verwendeten Codenummern ins Internet gestellt. Diese Nummern bekommen Polizisten, die bei Prozessen als Belastungszeugen auftreten müssen. Morgen wird das Verwaltungsgericht über diese in Berlin seit Jahren angewandte Praxis entscheiden. Nach Ansicht des Fraktionschefs der Grünen, Volker Ratzmann, nimmt die Zahl der Codierungen zu. „Diese Aura von Geheimniskrämerei ist der Tod von rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren“, sagte der Rechtsanwalt. Er kündigte an, das Thema ins Abgeordnetenhaus zu bringen.

Die Rechtsanwältin eines mittlerweile in erster Instanz verurteilten Linksautonomen will mit der Klage eine Anordnung des Innensenators kippen, nach der LKA-Beamte im Prozess gegen Christian S. als Nummern auftreten durften. Die Innenverwaltung hatte dies mit einer „Gefährdung“ der Beamten begründet, falls Namen und Adresse bekannt würden.

In der Tat ist es in der linken Szene seit langem üblich, Fotos und möglichst auch Namen von „enttarnten“ Zivilpolizisten im Internet zu veröffentlichen. So gibt es seit mehreren Monaten eine Bildergalerie vor allem von Beamten des Berliner Staatsschutzes (LKA5), teilweise auch mit Nennung der Namen. Die Seite nennt sich „Einsatztaktik Berliner Spezialeinheiten bei Demonstrationen“. Für die Innenverwaltung sind derartige Seiten der beste Beweis, dass die Anonymisierung sinnvoll ist. Die Sprecherin von Innensenator Ehrhart Körting, Henrike Morgenstern, sagte, dass „jeder Einzelfall geprüft und abgewogen“ werde, wann ein Zivilfahnder als Nummer, mit Sonnenbrille und Perücke vor Gericht auftrete. Sie wies den Vorwurf zurück, dass die Anonymisierung mittlerweile Standard bei Gerichtsverhandlungen sei.

Die Anwältin von Christian S. will von der Innenverwaltung die Namen der Belastungszeugen mit der Klage erzwingen – um so ihren Mandanten besser verteidigen zu können. S. war Mitte Januar wegen schweren Landfriedensbruchs und versuchter schwerer Körperverletzung zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Die Codierung der Beamten habe die Verteidigung behindert, da die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen nicht überprüft werden konnte, kritisiert das „Unterstützungskomitee“ von Christian S. Seine Anwältin sieht in der Nummernvergabe ein „Sonderrecht für Zivilfahnder“, hieß es. Dies verstoße fundamental gegen die Strafprozessordnung und die Rechte der Angeklagten. Ein Sprecher des Verwaltungsgerichtes sagte gestern, dass der Ausgang des Prozesses bislang völlig offen sei.

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