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Berlin: Zum Hackeschen Markt? Am besten ohne Auto

Tempo 10 und Fahrradstraßen: Neues Verkehrskonzept des Senats gibt Radlern und Fußgängern eindeutig Vorrang

Von Stefan Jacobs

und Christian Hönicke

Vorrang für Fußgänger und Radler, freie Bahn für die Tram und zwangsweises Schleichen mit dem Auto. So sieht nach dem Willen des Bezirks Mitte und des Senats die Zukunft für das Szene- und Kneipenvi ertel nördlich des Hackeschen Marktes aus. Einen Vorgeschmack auf das absehbare Chaos erleben die Anwohner dort bereits jetzt: Die erst vor vier Jahren gelegten Bahnschienen werden gerade herausgerissen, weil sie falsch verlegt wurden.

Auf Basis einer gestern vorgestellten „Verkehrs- und Straßengestaltungs-Studie Spandauer Vorstadt“ soll das Straßennetz in den kommenden drei Jahren umgestaltet werden. Vor allem den Durchgangsverkehr wollen die Planer von Senat, Bezirk, Stadtplanungsbüros und Technischer Universität aus den kleinen Straßen verbannen. Neue Schilder an den Magistralen ringsum sollen Autofahrern rechtzeitig den Weg weisen. Die Fahrt durch die Spandauer Vorstadt wird nicht verboten, aber zum Geduldsspiel: Verengte Zufahrtsstraßen münden in Tempo-10-Abschnitte, auf denen zwischen Granitpollern und breiten Gehwegen gerade Platz für eine Fahrspur bleibt.

Andere Straßen werden Radlern und Anliegern vorbehalten sein. So wollen die Planer die Linienstraße zu einer solchen Fahrradstraße umbauen, um die Radler von der Torstraße wegzuholen. Gebaut werden soll möglichst preiswert: Geplant sind Gehweg-Verbreiterungen an den Kreuzungen, ein paar neue Schilder und Poller.

Das Geld kommt aus allerlei Fördertöpfen und Investitionsprogrammen; eine Summe vermochte gestern niemand zu nennen. Mit der Studie waren neben Verkehrszählungen auch Umfragen bei Anwohnern und Gewerbetreibenden verbunden. Zumindest die Industrie- und Handelskammer ist zufrieden. Den Anwohnern werden die Pläne detailliert am 6. Mai vorgestellt.

Auch zur Gestaltung der Granitpoller ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Sie sollen die Autofahrer am Zuparken von Gehwegen, neuen Fahrradständern sowie Straßenbahngleisen hindern. Sofern die Tram überhaupt fährt, denn schlimmer als zurzeit kann es nach Meinung vieler Anrainer kaum werden – weil noch bis 17. April die erst vor wenigen Jahren verlegten Straßenbahngleise saniert werden. „Es ist brutal laut“, sagt Katharina, die im Schmuckladen „Coeur de Lion“ an der Spandauer Brücke arbeitet. Sie hat Musik aufgedreht, um den Lärm zu ertragen. „Trotzdem kommen weniger Kunden“, sagt ihre Kollegin Manel.

Mit Musik versucht auch Sami im Einrichtungsgeschäft „Dom“ gegen den Baulärm anzukommen. „Am Samstag haben sie die Schienen rausgerissen, da war es barbarisch laut“, sagt er. Der mäßige Andrang der Kunden liege aber eher am schlechten Wetter.

Alan Smith sieht das ganz anders. Er sitzt allein in seinem Devotionaliengeschäft „Zapp Art“ in den S-Bahnbögen. „Neben der Straßenbahn-Haltestelle ist auch noch der S-Bahndurchgang gesperrt“, sagt er verärgert. Diese Doppelbehinderung würde ihm 95 Prozent seiner Kundschaft nehmen. Verständnis für die Bauarbeiten hat Smith nicht. „Das ist das dritte Mal in vier Jahren, es ist alles so unglaublich schlecht geplant hier. Ein einziger Skandal.“

Ähnlich sieht es Francesco Tomaselli. Eine „Katastrophe“ sei es, dass die Gleise direkt vor seinem Restaurant „La Gaiola“ am Monbijouplatz aufgerissen würden. An Tische auf dem Bürgersteig ist nicht zu denken, das bedeutet bis zu 30 Prozent Umsatzeinbuße. „Man kann auch nicht mehr be- und entladen“, sagt Tomaselli. „Und die Gäste fahren weiter, wenn sie wegen der Baustelle keinen Parkplatz finden.“

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