zum Hauptinhalt
Ein Schutzbunker der Firma Bunker Schutzraum System Deutschland.

© Promo/BSSD

Zum Schutz vor Einbrechern und Attentätern: Immer mehr Menschen wollen einen eigenen Bunker

Die Berliner Firma BSSD baut Bunker und Schutzräume für extrem besorgte Kunden in aller Welt. Deren Zahl steigt. Doch wer ist daran interessiert?

Der Kunde hatte klare Vorstellungen. Und Katrin Piejde war sicher, dass sie sich nicht verhört hatte. Aber war dieser Wunsch wirklich ernst gemeint? Ihre Firma baut und verkauft Bunker. Und da ist sie öfter mal mit außergewöhnlichen Ideen konfrontiert. Und, ja: Wer metertief unter der Erde überleben will, muss auch mal etwas essen. Aber hier drängte sich mindestens eine Rückfrage auf: „Haben Sie denn auch an einen Rasen gedacht?“

Nein, daran hatte der Kunde tatsächlich nicht gedacht – und war dann schnell bereit, diesen Extrawunsch von der Liste zu streichen. Am Ende erhielt er seinen Bunker ohne lebendige Kuh.

Katrin Piejde sitzt in einem Konferenzraum als sie von dieser skurrilen Anfrage an ihre Firma Bunker Schutzraum System Deutschland (BSSD) erzählt. Der langgezogene Tisch steht in der Firmenzentrale, gleich neben dem Pergamon-Museum in Berlin-Mitte. Piejde ist die BSSD-Inhaberin, und dass dieser fensterlose Raum die Atmosphäre eines Luftschutzbunkers besitzt, ist so gewollt. Es passt zur Firmen-Philosophie.

Anschauungsmaterial für die Fähigkeiten der BSSD-Produkte sind zwei Meter neben der Chefin in Regalen aufgereiht: Stahlplatten mit tiefen Kerben. Die stammen von Kugeln aus einer AK-47, dem legendären russischen Maschinengewehr, der am häufigsten verwendeten Feuerwaffe in Krisenregionen aller Welt. Die Projektile sind gegen die Platten geprallt, haben sie aber nicht durchschlagen können. So wird Sicherheit vor Angriffen garantiert.

Wenn Kunden hier sitzen, die Stahlplatten und die Kerben sehen, fühlen sie, dass sie in den Bunkern, die BSSD ihnen baut, zumindest vor Angriffen mit Maschinengewehren sicher sind.

Die Kunden haben Angst vor Anschlägen oder atomaren Unfällen

Wobei im Angebotskatalog von BSSD mehr als nur Bunker aufgeführt sind. Die Firma bietet neben dem Bau von tief vergrabenen Schutzcontainern auch Gebäudeschutz und Panzergaragen, sie schützt technische Anlagen, kümmert sich um den Schutz von Botschaftsgebäuden und hat eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die zum Beispiel neue Baustoffe entwickelt oder Schutzwesten verbessert. Die Stahlplatten mit ihren Projektilkerben an der Wand sind Teil dieser Entwicklungsarbeit.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Eigentlich ist Katrin Piejde seit Jahrzehnten Bauunternehmerin, der Aufbau ihrer Firma BSSD habe mit der Anfrage einer „politischen Größe“ begonnen. Namen sind natürlich tabu, Geschäftsgeheimnis. Auf jeden Fall hatte dieses politische Schwergewicht Angst um seine Sicherheit und fragte bei Piejdes Firma: „Können Sie mir im Keller einen Schutzraum einrichten?“ Sie nahm den Auftrag an. Nach Ende der Arbeiten hatte der aufgerüstete Raum, mit 25 Quadratmeter Grundfläche, Stahlplatten an den Wänden und explosionssichere Türen.

„Heute“, sagt die Firmeninhaberin, „wäre dieser Raum veraltet.“ Er hat nämlich keine Filteranlage für nukleare, biologische und chemische Substanzen. Die gehören mittlerweile zum Standard. Der Markt für Schutzsysteme entwickelt sich rasant weiter. Es wird aufgerüstet.

Bau eines Bunkers.
Bau eines Bunkers.

© Promo/BSSD

BSSD wächst mit, die Firma ist weltweit im Einsatz. Allerdings kommen immer noch 80 Prozent der Aufträge aus Deutschland. Kunden aus allen Bereichen melden sich: Privatleute, die Angst vor Einbrechern, Bürgerkrieg, atomaren Unfällen, Einschlägen von Asteoriden oder Anschlägen von Terroristen haben, sind darunter. Nachdem Anis Amri mit einem gestohlenen Lkw zwölf Menschen auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz getötet hatte, war die Zahl der Anfragen enorm angestiegen.

Die Firma berät mittlere Unternehmen und Konzerne

Bei BSSD melden sich aber auch Institute, mittlere Unternehmen oder große Konzerne. Institute wollen technische Anlagen oder Prüfstände abschirmen lassen, damit bei einem missglückten Versuchs nicht gleich das Gebäude oder noch mehr in Schutt und Asche gelegt wird. Vertreter ausländischer Staaten möchten ihre Botschaften mit Panikräumen ausrüsten lassen oder benötigen Rat in Sicherheitsfragen.

In der Stadt Berlin sind Aufträge für klassischen Bunkerbau aber eher selten, hier melden sich viel häufiger Institute, die ihre Versuchsanordnungen abschirmen. Katrin Piejde erklärt an einem anschaulichen Beispiel, wie das aussieht: „Es kann dann eine Art Sarkopharg sein, wie es ihn in riesiger Form in Tschernobyl gibt“, sagt sie. Dort, im Norden der heutigen Ukraine, wird die Umwelt mit so einer Betonhülle vor den radioaktiven Strahlungen geschützt, die bei der Havarie eines Atomreaktors im April 1986 freigesetzt worden war.

[In unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken befassen wir uns regelmäßig unter anderem mit Polizei- und Sicherheitsthemen. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Grundsätzlich, sagt Piejde, baue BSSD alles, „sofern die Technik es erlaubt und das entsprechende Geld vorhanden ist“. Wer einen Stahlcontainer in der Erde verschwinden lassen will, benötigt natürlich einen Garten. Mindestens fünf Meter tief werden die Bunker gebaut, die Details der Schutzräume hängen von den persönlichen Wünschen des Kunden ab. Der größte Bunker, den BSSD bisher gebaut hat, hatte eine Grundfläche von 70 Quadratmetern. Es ginge auch noch größer. Aber für die artgerechte Haltung einer Kuh unter Tage sind die Anlagen eher nicht gedacht.

Der Weg zum versteckten Kellerbunker.
Der Weg zum versteckten Kellerbunker.

© Promo/BSSD

Wer auch ohne täglich frisch gemolkene Milch überleben kann, deckt sich mit Konserven ein. Die maximale Aufenthaltsdauer hängt vom Lebensmittelvorrat und vom Wasser ab. „Die Luft ist kein Problem“, sagt Piejde. Die Filter sorgen für ausreichend Atemluft. Wasserversorgung ist komplexer: Entweder bunkert man genügend Wasser in Kanistern oder Flaschen oder BSSD bohrt, wenn möglich, einen Brunnen. Auch sanitäre Fragen lassen sich klären. Im Angebot ist zum Beispiel eine Komposttoilette mit Wurmaufbereitung. Wer’s mag.

Die meisten Bunker, die gekauft werden, sind rund 20 Quadratmeter groß

Meist bestellen Kunden Schutzcontainer mit 18 bis 20 Quadratmetern Größe. Ein Raum in dieser Größenordnung kostet zwischen 30.000 und 50.000 Euro, der 70-Quadratmeter-Bau lag weit im sechsstelligen Bereich. Beim Einsatz von Stahlbeton muss man mit rund 5.000 Euro pro Quadratmeter rechnen, „abhängig von der Situation vor Ort“, sagt Piejde. Es müsse ja alles druck- und explosionsgesichert sein. „Wir haben eine Verantwortung für die Kunden.“

Die sind in den meisten Fällen Mitte 30 und älter. „Die wenigsten Leute, die sich bei uns melden, sehen sich persönlich als Zielscheibe von Angriffen“, verrät Piejde. „Sie haben mehr eine allgemeine Angst.“ Sind denn auch Prepper unter den Kunden? Die Gruppenbezeichnung stammt aus dem Englischen „to be prepared“ also „vorbereitet sein“. Einige – nicht alle – Prepper stehen „Reichsbürger“-Organisationen nahe und  bereiten sich ausgesprochen akribisch vor auf einen Bürgerkrieg in Deutschland.

„Wir haben noch keinen Prepper beliefert“, sagt Bunkerverkäuferin Piejde. Jedenfalls niemanden, der sich als Prepper zu erkennen gegeben habe. Mit diesen Leuten möchte die Firmenchefin auch nicht in Verbindung gebracht werden. Sie sagt aber auch: „Ich kann nichts für die Gesinnung von Menschen. Wenn jemand Angst hat und bestellt sich einen Schutzraum oder einen Bunker, warum soll ich nicht liefern?“

Es gibt auch 25 Millimeter dicke Stahlplatten

Wer besonders ängstlich ist, versteckt sich hinter 25 Millimeter dicken Stahlplatten. „Die halten auch Handgranaten stand“. Solche Schutzwände werden allerdings selten bestellt. Zu schwer, zu teuer. „Gängig“, sagt Piejde, seien vier bis zwölf Millimeter dicke Platten. „Die vier Millimeter-Platten sichern von den Kugeln von Handfeuerwaffen, die Zwölf-Millimeter-Platten halten Beschuss aus einer Kalaschnikow ab.“

Einmal hatte ein völlig aufgelöster Anrufer keinen Sinn für Millimeter-Stärke von Stahlplatte, Filteranlagen oder gar Wasserversorgung. Er hatte einfach nur fürchterliche Angst. Ins Telefon schluchzte der Zwölfjährige: „Wie kann ich meine Familie schützen?“ Die weltpolitische Lage war mal wieder unsicher, der Junge machte sich Sorgen um Vater und Mutter. Katrin Piejde beruhigte den Jungen und fragte ihn: „Habt ihr einen Keller?“ – „Ja.“ – „Na bitte, das ist doch schon mal gut.“ Mit dieser Familie kam sie nicht ins Geschäft. Bisher nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false