zum Hauptinhalt
Mathias Voelchert, verstorben, ist Gründer und Leiter von „familylab.de – die Familienwerkstatt“. Er hat mit dem Familientherapeuten Jesper Juul bis zu dessen Tod am 25. Juli 2019 eng zusammengearbeitet. Foto: privat

© privat

Zum Tod des Familylab-Gründers : Der Mann, der Familien Kraft gab

Mathias Voelchert arbeitete eng mit dem bekannten dänischen Familientherapeuten Jesper Juul zusammen und bildete Familienberater aus. Jetzt ist er gestorben. Eine Würdigung.

Stand:

Es ist noch gar nicht so lange her, da galt es als Ausweis guter Elternschaft, das Kind satt zu bekommen, es gekämmt und ohne Flecken auf der Kleidung zur Schule zu schicken. Dazu galt es, ihm beizubringen, dass es ohne Widerworte die Dinge tun sollte, die ihm Erwachsene auftrugen. Wie sich das Kind damit fühlte, das war in jenen Zeiten, teils noch bis weit in die Neunziger, eher unwichtig. Und Respekt war eine Einbahnstraße, etwas, das nur die Kinder den Eltern und Lehrern entgegenzubringen hatten.

Heute ist das in Deutschland anders. Und das liegt auch an Mathias Voelchert. Mehr als 20 Jahre lang setzte er sich dafür ein. Kinder bräuchten gerade keine „Einbahnstraßenerziehung“, schrieb der Familientherapeut etwa in seinem Buch „Liebevolle elterliche Führung. Das Praxisbuch“ (Beltz Verlag, 2017). Sondern eine respektvoll geführte Beziehung, bei denen Eltern und Kinder gemeinsam aushandeln, wie sie gut miteinander auskommen. „In einer Zeit wie heute, in der sich die Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen verändern, ist es umso wichtiger, dass Eltern ihren Kindern Zugehörigkeit, Geborgenheit, Wachstumsmöglichkeiten geben.“ Es sei wichtig, dass Eltern ihre Kinder vor „seelischem Schaden“ schützten. „So verhelfen sie ihren Kindern zu der seelischen Stabilität, die sie für ihr weiteres Leben brauchen.“

In einer Art erstem Leben war der 1953 geborene Betriebswirt Voelchert Inhaber einer Textilfirma. In seinen Vierzigern trennte er sich von seiner ersten Frau, mit der er zwei Kinder hatte, wechselte den Beruf und wurde Paar- und Familientherapeut sowie Supervisor. Nachdem er sein erstes Buch zum Thema „Trennung in Liebe“ (Kösel Verlag 2006) veröffentlicht hatte, traf er den bekannten dänischen Familientherapeuten und Autor Jesper Juul und begann, eng mit ihm zusammenzuarbeiten. Noch 2006 gründete er das Familylab Deutschland, eine Organisation, die Familienberater:innen ausbildet und Seminare für Eltern anbietet. Auch Weiterbildungen für Pädagogen in Schulen und Kitas bietet Familylab an. Voelchert selbst leitete gern Seminare für Väter.

Gleichwürdig, authentisch und integer

„Er war für mich im besten Sinne ein Pragmatiker, der sich mit seiner ‘entwaffnenden’ Freundlichkeit für die Menschen einsetzte, die sich an ihn wandten“, sagt Stephan Rudolph, Familylab-Berater in Berlin-Wilmersdorf über Voelchert, den er bei seiner Seminarleiter-Ausbildung kennengelernt und oft wiedergetroffen hat. „Dabei ging es ihm nie darum, recht zu haben, sondern er stand für seine Überzeugungen ein, ohne sie als allgemeine Regeln durchsetzen zu wollen. Auch dies ganz im Sinne Jesper Juuls, der sich immer dagegen gewandt hatte, eine ‘Methode’ zu lehren.“

Vielmehr sei es die Haltung, anderen „gleichwürdig, authentisch und integer“ zu begegnen und sich auf einen gemeinsamen Prozess einzulassen, in dem das Erfahren von Beziehung wesentlich zum Heilen von Konflikten beiträgt. „Ich habe Mathias in diesem Sinne immer als beeindruckend professionelles Energiebündel erlebt, das nie die Bodenhaftung verlor. Und auch meine letzte Begegnung mit dem schon schwerkranken Jesper verdanke ich ihm, der trotz vieler Hindernisse unsere Reise nach Dänemark organisierte.“

Der bekannte Kinderarzt Herbert-Renz-Polster schrieb zu Voelcherts Tod: „Mir fallen so viele Begegnungen ein mit Dir, und der Stern, unter dem sie standen, war immer: Optimismus. Das ist zu schaffen! Und wenn es noch so ächzte in einer Familie: Das schafft ihr, denn ihr seid jetzt auf einem guten Weg! Du hast Jesper Juul begleitet, als er auf seiner letzten Strecke war, mit ihm gelitten hast Du. Hoffe ganz doll, dass Du nicht schlimm hast leiden müssen. Und weil es so ist, dass das Gute, das wir schaffen, weiterlebt, weiß ich, dass Du im Herz vieler Menschen noch lange einen Platz haben wirst.“

Einer dieser Menschen ist Stefanie von Brück, Pädagogin und Familylab-Seminarleiterin: „Als Gründer und Leiter von Familylab, als Visionär und Vorbild hat er so viele Menschen berührt und bewegt. Mich eingeschlossen. Selten habe ich mich in meiner Persönlichkeit, ganz wie ich bin, so gesehen und wertgeschätzt gefühlt. Einige seiner Worte, Sätze, Bilder und Übungen aus der Familylab-Ausbildung sind tief in mir als Mensch und Mutter, aber auch in meiner heutigen Arbeit fest verankert. Wenn ich Eltern berate und unterstütze, wenn ich Kita-Fachkräfte fortbilde, dann ist natürlich ganz viel von mir und meinem Wissen und Herzen drin. Aber auch viel, was ich von Mathias lernen und erleben durfte. Da bin ich sicher nicht die einzige. Das tröstet vielleicht über seinen viel zu frühen Tod hinweg. Weil ich glaube, dass sein Dasein und sein Wirken in uns allen weiterlebt.“

Jesper Juul schrieb 2017, zwei Jahre vor seinem Tod, im Vorwort zu „Liebevolle elterliche Führung“: „Mathias Voelcherts Buch lebt wie seine Arbeit im Familylab von dem Vertrauen, das er in die Kraft der Familien setzt, und dem Respekt, den er Müttern, Vätern und vor allem den Kindern zollt.“ Seine Tipps würden Eltern helfen, „ein gelasseneres Miteinander im Familienalltag zu schaffen“.

Mathias Voelchert, Vater von zwei erwachsenen Kindern, war 71, als er starb. Sein Werk bleibt. Noch viele Familien werden davon profitieren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })