zum Hauptinhalt

Berlin: Zur Brezel gibt’s den Handstand gratis

An der Neuen Nationalgalerie ist Kommerz nur als „Dienstleistung an der Schlange“ erlaubt. Kaffee und Zeitungen verkaufen sich am besten

Die MoMA-Schlange weckt die unternehmerische Fantasie. Jeden Tag stehen tausende Menschen mit gefüllten Brieftaschen unter freiem Himmel herum, langweilen sich, hungern und dürsten – ein schier unermessliches Nachfragepotenzial, das fast unerschlossen brach liegt. Würstchenverkäufer hätten ihm 10000 Euro Pacht im Monat geboten, erzählt MoMA-Projektleiter André Odier. Ein Barbetreiber wollte auf der Terrasse der Neuen Nationalgalerie Caipirinhas mixen. Odier blieb aber hart. „Man kann seine Seele nicht verkaufen“ – schon gar nicht die Seele der MoMA-Ausstellung. Gegen die Caipirinhas gab es auch ganz pragmatische Einwände. Alkoholisierte Kunstbetrachter sind ein schweres Sicherheitsrisiko.

Im Bannkreis der MoMA-Ausstellung muss aus ästhetischen Gründen alles Kunst sein – auch der Kommerz. Deshalb macht Brezelverkäufer Mohammed Rrebhet Handstand oder einen Flick-Flack auf dem Plateau des Mies-van-der-Rohe- Baus, danach applaudieren die Warteschlangensteher, nehmen sich Backwaren und legen zwei Euro in seine Hand. Akrobat Mohammed hat eine mündliche Sondergenehmigung für sein Geschäft. „Der darf das“, sagt Odier, der mit seinen Momanizer-Flip-Flops („Momaletten, sieben Euro das Stück“) über das Pflaster latscht. Eigentlich hat hier die Kaffeehaus-Kette Einstein das Catering-Monopol – gegen entsprechendes Sponsoring der „Momanizer“, der Studenten, die in der Ausstellung die Kunstwerke erläutern.

Erlaubt ist laut MoMA-Konzept „Dienstleistung an der Schlange“. Dazu gehören die MoMA-Hocker, die für einen Euro ausgeliehen werden. Bis zu 400 Menschen nutzen täglich das Angebot, sagt Hocker-Projektmanager Jörn Römer. Bis zum Ende der Ausstellung hofft er, die Ausleihaktion mit einer schwarzen Null abschließen zu können. Die Hocker kommen von Ikea und sind als Promotionobjekte zu verstehen. Viele Besucher haben das gleich durchschaut und bis jetzt 90 Hocker in ihren Besitz gebracht. Bei Ikea kostet der Hocker ohne Moma-Logo normalerweise 13 Euro, sagt Römer, bei MoMA ist er schon für 11 zu haben (10 Euro sind Pfand). Den Verleihern gehen langsam die Stühle aus.

Der Eismann an der Treppe bietet außer Kugeln keine Kunst und klagt über das zähe Geschäft. Geistige Nahrung läuft besser. Der Tagesspiegel-Verkäufer schwärmt von der umsatzsteigernden Location. „Ein Kollege hat mal in vier Stunden 98 Zeitungen verkauft.“

Vor dem Einstein-Container bildet sich schon frühmorgens eine Kaffeeschlange. Einstein-Shopmanager Lukas Benda hat manchmal 18-Stunden-Tage zu bewältigen. „Das Geschäft rentiert sich“, sagt er. Ab Mittag sind auch Grillwürstchen im Brotlaib im Angebot. Sie sehen etwas künstlich aus, fast wie echte Kunst, sind aber essbar.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false