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Grays, Essex: Ermittler am Ort des Leichenfunds

© Aaron Chown/PA Wire/dpa

Update

39 Tote in Essex: Erschütternder Fund nahe London – was wir wissen und was nicht

Bulgarien, Hafen Holyhead oder Purfleet? Zunächst kursierten irreführende Informationen zum Leichenfund in Essex. Einiges hat sich geklärt. Ein Überblick.

Von Ragnar Vogt

Ein grausamer Fund sorgt für Entsetzen in Großbritannien: In Grays in der Grafschaft Essex östlich von London wurden 39 Leichen in einem Lkw-Container entdeckt. Nach und nach werden die Details bekannt. Für Irritation sorgte zunächst der bulgarische Lkw: Wegen der Zugmaschine dachte man zunächst, der Container mit den Leichen könnte aus Bulgarien stammen und über den Hafen Holyhead Großbritannien erreicht haben. Diese Version bestätigte sich nicht: Der Lkw lud erst in Großbritannien den Container auf, in Purfleet wenige Kilometer vom Fundort entfernt.

Was wir wissen:

  • Die Opfer: 39 Menschen wurden tot geborgen, 31 Männer und acht Frauen.
  • Die Herkunft der Opfer: Die Toten in dem Container stammen aus China. Das teilte die Polizei am Donnerstagmittag mit.
  • Der Fahrer: Am Steuer des Lkw war ein 25-jähriger Nordire. Er wurde unter Mordverdacht festgenommen. Ob er wusste, was er geladen hat, ist nicht bekannt.
  • Der Fundort: Entdeckt wurde der Lkw mit den Leichen im Industriegebiet von Grays in der Graftschaft Essex. Das liegt etwa 30 Kilometer östlich von London an der Themse.
  • Die Route des Containers: Der Container war nach Angaben der Polizei vom belgischen Hafen Zeebrugge aus ins britische Purfleet gelangt. Im britischen Hafen von Purfleet sei er in der Nacht zu Mittwoch eingetroffen. Er wurde auf einen Lkw verladen und hat den Hafen gegen ein Uhr am Mittwochmorgen verlassen. Um 1:40 Uhr wurde die Polizei von Sanitätern über den Leichenfund informiert.
  • Der Lkw: In Purfleet wurde der Container auf eine Zugmaschine verladen. Der Lkw stammt ursprünglich aus Bulgarien, weshalb zunächst vermutet worden war, dass der Container dort gestartet war. Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissow stellte klar, dass der Lkw seit 2007 nicht mehr in seinem Land war. Das sei aus steuerlichen Gründen nicht unüblich.
  • Die Ankunft des Lkw in Großbritannien: Der Lkw – wohl noch ohne den Container – erreichte am Samstag britischen Boden über den walisischen Hafen Holyhead. Dieser ist etwa 500 Kilometer von dem Fundort in Grays entfernt. In Holyhead kommen vor allem Schiffe aus Irland an, deshalb gibt es die Vermutung, dass er von dort kam.

Was wir nicht wissen:

  • Die Route des Containers: Nicht bekannt ist, von wo der Container kam, bevor er Zeebrugge in Belgien erreichte. Belgische Behörden teilten lediglich mit, dass der Container am Dienstag um 14:49 in Zeebrugge angekommen sei und am nächsten Tag um 1:00 Uhr den Hafen Richtung Purfleet verlassen habe.
  • Die Identität der Opfer: Die Identifizierung der Leichen läuft. Dieser Prozess könne länger dauern, kündigte die Polizei von Essex kurz nach Bekanntwerden des Fundes mit.
  • Die Todesursache: Bisher wissen die Ermittler nicht, woran die Menschen in dem Container gestorben sind. Da es sich um einen Kühlcontainer handelt, gibt es die Spekulation, dass die Menschen erfroren seien. Dafür gibt es keine Bestätigung, die Ermittlungen laufen.
  • Der Ablauf der Tat: Unklar ist, wo die Menschen in den Container gelangten. Belgische Behörden ermitteln, ob sie bereits im Container waren, als dieser den belgischen Hafen Zeebrugge erreichte, oder ob Migranten dort in den Container geschmuggelt wurden.
  • Die Verantwortlichen: Der Fahrer des Lkw ist zwar verhaftet worden, es ist aber nicht bekannt, ober er auch Täter ist. In der Nacht zum Donnerstag wurden wohl im Zusammenhang mit der Tat zwei Wohnungen in Nordirland durchsucht – dem Herkunftsland des Lastwagenfahrers.
  • Die Hintermänner: Bei den Toten handelt es sich um Migranten aus China. Entsprechend müsste es auch Schleuser geben, die verantwortlich sind. Ermittler der nationalen britischen Polizei sollen nun dem Verdacht nachgehen, dass Organisierte Kriminalität für die Toten verantwortlich sein könnte.

Premierministerin Boris Johnson und seine Innenministerin Priti Patel versicherten kurz nach dem Bekanntwerden des Leichenfunds, dass eine umfassende Aufklärung angestrebt werde. International wurde viel Betroffenheit gezeigt. Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich „tief erschüttert“.

Der Fall erinnert an einen ganz ähnlichen Fall in Großbritannien vor 19 Jahren: Damals fand die Polizei 58 tote Chinesen in einem Lastwagen-Anhänger im britischen Hafen Dover.

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