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Straßenprotest von Fridays for Future.

© IMAGO/Hanno Bode/IMAGO/Hanno Bode

Antisemitismus bei „Fridays For Future“: Der Aktivist, der die Hassposts durchsetzte

Ein empörender Beitrag des „internationalen“ Accounts der Klimabewegung geht auf die Initiative eines Ex-Pressesprechers aus Mainz zurück. Der Mann ist kein Unbekannter.

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Was der internationale Account von Fridays for Future (FFF) diese Woche auf Instagram verbreitete, hat die Öffentlichkeit entsetzt.

Nun stellt sich heraus: Der Post geht auf die Initiative eines einzelnen Aktivisten aus Deutschland zurück.

Hasan Özbay, der ehemalige Pressesprecher der Mainzer Ortsgruppe, erklärt auf Twitter, dass er die Verbreitung des Posts intern „durchgeboxt“ habe. Er schreibt: „Bin so froh, dass es geklappt hat.“

Innerhalb der Klimabewegung hat Özbay einen äußerst schlechten Ruf: Bereits vor Monaten wurde er aus den Strukturen von FFF Deutschland und auch der Mainzer Ortsgruppe ausgeschlossen. Mehrere linke Projekte der Stadt erteilten ihm Hausverbot. FFF-Mitglieder werfen ihm toxisches Verhalten vor, einige Personen haben sich aus Angst vor ihm aus der Bewegung zurückgezogen.

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Der Fall Hasan Özbay ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie es Einzelpersonen gelingen kann, durch aggressives Auftreten progressive Bewegungen zu kapern, das interne Klima zu vergiften und die eigene Agenda gegen den Mehrheitswillen durchzusetzen. Er zeigt allerdings auch, wie couragiert die deutschen Gliederungen von Fridays For Future seit langem versuchen, Antisemitismus zu bekämpfen.

Noch 2022 trat Hasan Özbay offiziell als Pressesprecher des Mainzer FFF-Ablegers auf, sprach in Interviews über die Grenzen zivilen Ungehorsams.

Dann verwarnte ihn zunächst die Bundesebene von FFF. Özbay hatte Mitstreiter wüst beschimpft. Das Awareness-Team schrieb ihm, Nachrichten wie „geh scheissen“ seien extrem provokativ und eine persönliche Beleidigung, in Zukunft solle er respektvoller mit seinen Mitmenschen umgehen.

Etwas später wurde bekannt, dass Hasan Özbay auf einer Klima-Demonstration in Lützerath eine Jacke mit dem Bild der palästinensischen Terroristin Leila Chaled getragen hatte. FFF warf ihm daraufhin vor, er verharmlose Terrorismus, verstoße sowohl gegen den Konsens der Gewaltfreiheit als auch das Selbstverständnis der Bewegung, sich deutlich gegen jeden Antisemitismus auszusprechen.

Das Awareness-Team schrieb ihm: „In Anbetracht der zahlreichen Beschwerden gegen dein Verhalten in den FFF-Chatgruppen und der Verwarnung, die wir bereits gegen dich aussprechen mussten, haben wir uns für einen dauerhaften Ausschluss entschieden.“

Nach der Bundesebene schloss ihn auch die Mainzer Ortsgruppe zeitnah aus.

Hasan Özbay verhöhnt Linke, die ihn auf Antisemitismus hinweisen.
Hasan Özbay verhöhnt Linke, die ihn auf Antisemitismus hinweisen.

© Screenshot: Twitter

Doch Hasan Özbay zog sich nicht zurück, sondern suchte sich ein neues Betätigungsfeld: nämlich in einer Telegram-Gruppe, in der FFF-Anhänger in wechselnder Besetzung über die Bespielung eines inoffiziellen „internationalen“ Twitter-Accounts der Bewegung entschieden. Auch dort ging Özbay äußerst aggressiv vor, beschimpfte Mitstreiter zum Beispiel als „kleines Stück rassistischer Scheiße“ oder „widerlichen Rassisten“.

Die Auszüge der Chat-Protokolle, die dem Tagesspiegel vorliegen, sind bemerkenswert. Denn in ihnen interessiert sich Hasan Özbay kein einziges Mal für Klimathemen. Stattdessen versucht er lediglich, die Bewegung zur Veröffentlichung israelfeindlicher Tweets zu überreden. Einmal verlangt er, FFF solle die Freilassung eines palästinensischen Attentäters fordern. Ein anderes Mal solle FFF den Beitrag eines hamasnahen Propagandasenders verbreiten.

Hausverbot in linken Projekten seiner Heimatstadt

Auch in der linken Szene seiner Heimatstadt Mainz ist Hasan Özbay verschrien. Bei zwei der wichtigsten linken Projekte der Stadt hat er mittlerweile Hausverbot. Das Kulturzentrum „Haus Mainusch“ begründet sein Hausverbot damit, Özbay denunziere Menschen pauschal als „Rassisten“, bloß weil diese Israelis nicht als „fremde Kolonisatorinnen“ bezeichnen wollten.

Politisch aktive Personen in Mainz berichten von Özbays Aggressivität und Gewaltbereitschaft. Gegenüber dem Tagesspiegel will sich Özbay nicht dazu äußern.

Wie konnte eine Person wie Hasan Özbay derart lange bei FFF mitmischen und nun sogar die hetzerischen Instagramposts durchsetzen?

Ein Aktivist, der sich wegen des Verhaltens von Hasan Özbay aus der Bewegung zurückgezogen hat, schrieb zum Abschied, er sei bestürzt, wie sehr „es eine einzelne Person schafft, die Diskussionskultur zu vergiften. Gezielt und systematisch.“ Man habe Özbay zu lange gewähren lassen: „Appeasement funktioniert nicht gegen Menschen, deren Ziel Psychoterror in der ganzen Bewegung ist.“ Und weiter: „Räume mit Hasan sind keine Safe Spaces (...) Der einzige Grund, warum sich so wenige gegen ihn stellen, ist Angst.“ Gegenüber dem Tagesspiegel will sich Özbay auch zu diesen Vorwürfen nicht äußern.

Hasan Özbay twittert über eine Tagesspiegel-Anfrage.
Hasan Özbay twittert über eine Tagesspiegel-Anfrage.

© Screenshot:Tagesspiegel

Möglicherweise ist es nicht bloß die Angst vieler Klimabewegter, Özbay in die Schranken zu weisen, sondern auch schlichte Überforderung. Ein FFF-Mitglied berichtet am Telefon, den allermeisten in der Bewegung gehe es schließlich „um die Sache, also den Klimaschutz.“ Man verwende ehrenamtlich sämtliche Energie darauf, das eigene Umfeld und die Öffentlichkeit von der Dringlichkeit nachhaltiger Klimapolitik zu überzeugen. Wenn sich dann so ein „dominanter Macker mit extrem unangenehmen Methoden“ in ihren Strukturen breitmache, fehle häufig die Kraft, sich zu wehren.

Zudem müsse jeder, der Özbay kritisiere, damit rechnen, als Rassist oder rechtsextrem beschimpft zu werden. „Das ist zwar völlig absurd, aber es verfängt“, sagt das Mitglied.

Die Taktik Özbays lässt sich anschaulich auf Instagram beobachten. Dort bezichtigt er aktuell ausgerechnet das linksautonome Hamburger Zentrum „Rote Flora“, es sei „offen rechtsextrem“. Begründung: Die Flora hatte es gewagt, ein Banner mit dem Schriftzug „Free the world from Hamas“ an ihre Fassade zu hängen.

Hasan Özbay schreibt, er hasse die Grünen mehr als die AfD

Auf Twitter erklärt Hasan Özbay, FFF Deutschland sei ein „rassistischer Verein“. Die Grünen hasse er mehr als die AfD. Israel habe kein Existenzrecht. Nach den Terrorangriffen vom 7. Oktober verurteilte er nicht etwa die Hamas, sondern wünschte allen Palästinensern „a very pleasant de-colonizing“. 

Hasan Özbay verbreitet auch Gewaltfantasien. Bundesfinanzminister Christian Lindner gehöre „in den Kofferraum“. Ihm verhasste Linke aus Mainz wolle er körperlich attackieren.

Gleichzeitig tritt Özbay in der Öffentlichkeit noch immer als reflektierter FFF-Aktivst auf, etwa auf einem Kongress - und erklärt dort, was Klimagerechtigkeit mit Antikolonialismus zu tun habe.

Sein Wirken auf Telegram wurde im August durch einen detaillierten Bericht der “Jüdischen Allgemeinen“ bekannt. Mitautor Nicholas Potter erklärt gegenüber dem Tagesspiegel, nach Veröffentlichung ihrer Recherchen hätten sich viele Klimaaktivisten bei ihnen gemeldet und bedankt: „Denn wir haben eine destruktive Dynamik in der Klimabewegung sichtbar gemacht, die zu einer aggressiven Stimmung führt, nicht nur gegen den jüdischen Staat, sondern gegen all seine vermeintlichen und tatsächlichen Unterstützer, und schließlich auch gegen Jüdinnen und Juden.“

Es handle sich um „eine Dynamik, die der Bewegung schadet und letztlich von einem wichtigen und dringenden Thema ablenkt: Klimagerechtigkeit.“ Potter betont, der internationale Account von FFF spreche „nicht für die ganze Bewegung“.

Die neuen Instagram-Posts, die Hasan Özbay intern „durchboxte“, bezeichnet Potter als „pure Schwurbelei“. Die Posts vermittelten „ein Narrativ, das man eher von Querdenken und Rechtsaußen kennt: Die Medien belügen uns, um uns zu manipulieren – als hinterlistiger Plan, um den jüdischen Staat zu unterstützen. Das ist nichts anderes als Geraune von einer zionistischen Lügenpresse. Israel wird zudem unterstellt, einen Genozid zu verüben – also die Palästinenser*innen mit Absicht auszulöschen. Auch das ist ein Verschwörungsmythos.“

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