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Eine Demo von Fridays for Future in München

© Imago/Uncredited

Antisemitismus-Vorwürfe gegen Fridays for Future: Wer hinter dem umstrittenen Social-Media-Auftritt steckt

Die internationalen Accounts der Klimabewegung haben in den sozialen Medien wiederholt eine israelfeindliche Haltung offenbart. Dabei könnte ein Name entscheidend sein.

| Update:

Der Instagram-Beitrag vom Mittwoch ist untertitelt mit „Bitte aufmerksam lesen“. Geteilt hat ihn der internationale Account von Fridays for Future (FFF), mehr als 18.000 Menschen hatten ihn bis Freitagnachmittag mit „Gefällt mir“ markiert. Bei vielen anderen Menschen sorgte der Beitrag hingegen für Verwunderung und Fassungslosigkeit – so auch beim deutschen Ableger der Klimabewegung.

Im Beitrag behauptet Fridays for Future, dass westliche Medien Gehirnwäsche betreiben, um Solidarität mit Israel zu erzeugen. Die Verfasser des Beitrags nennen die israelische Regierung ein „Apartheid-Regime“ und werfen ihr einen „Genozid“ an der palästinensischen Bevölkerung vor.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich FFF Deutschland von Aussagen des internationalen Accounts distanziert. Im Mai 2021 hatte FFF international palästinensische Terroristen in einem Beitrag auf Instagram und Twitter als „Märtyrer“ bezeichnet sowie Israel „Siedlerkolonialismus“ und „Imperialismus“ vorgeworfen.

„Die Social-Media-Posts werden nicht demokratisch abgestimmt, die Posts werden nicht vorangekündigt, und sprechen nicht für die deutsche Bewegung“, teilte FFF Deutschland auf Tagesspiegel-Anfrage mit.

Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat sich im Namen von Fridays for Future Deutschland mittlerweile von israelfeindlichen Äußerungen auf dem internationalen Account der Klimaschutzbewegung distanziert. „Unsere volle Solidarität gilt den Jüdinnen und Juden weltweit, und wir verurteilen scharf den Terror der Hamas“, sagte Neubauer der Deutschen Presse-Agentur. „Wir distanzieren uns von den antisemitischen Posts auf internationalen Kanälen nachdrücklich.“ 

Doch, wenn die internationalen Social-Media-Auftritte nicht für die nationalen Ableger sprechen: Wer steckt dann dahinter – und mit welcher Intention? Recherchen der „Jüdischen Allgemeinen“, die diese im August veröffentlichte, haben ergeben, dass einer der Köpfe, zumindest hinter den umstrittenen Beiträgen auf X (vormals Twitter), aus Deutschland kommt.

Der Recherche zufolge handelt es sich dabei um einen Mann namens Hasan Ö. aus Rheinland-Pfalz, der zeitweise auch den Account von FFF Deutschland betreute, ehe er ausgeschlossen wurde.

Israelfeindliche Einstellung im Social-Media-Team

Hasan Ö. soll demnach einer von nicht einmal einem Dutzend internationalen Aktivisten der Klimabewegung sein, die die Inhalte des X-Accounts maßgeblich bestimmen, obwohl sie von niemandem davon legitimiert worden sind. Einige von ihnen haben laut der „Jüdischen Allgemeinen“ eine israelfeindliche Einstellung.

Die Beiträge stimmt dieser kleine Kreis an Personen dem Bericht nach in einer Gruppe im Kurznachrichtendienst Telegram ab, deren gesamten Chatverlauf seit März 2021 die „Jüdische Allgemeine“ einsehen konnte. Das Bild, das die Zeitung zeichnet: Der oder die lauteste, die am meisten und kompromisslosesten schreibt, setze sich durch. Der Großteil der Wortbeiträge haben dem Bericht zufolge zwei Dinge gemeinsam: die Ablehnung des jüdischen Staates und die Verachtung für FFF Deutschland.

Hasan Ö. wurde von FFF Deutschland ausgeschlossen

Der Deutsche Hasan Ö. soll seit August 2021 Mitglied der Gruppe sein und seitdem für mindestens zehn X-Beiträge verantwortlich zeichnen, in denen Israel teilweise dämonisiert und palästinensischer Terror verharmlost wird. Der bekannteste Beitrag unter diesen ist der, indem mit „Yallah Intifada“ zum bewaffneten Kampf gegen den jüdischen Staat und seine Zivilbevölkerung aufgerufen wird.

FFF International ist einheitlich Palästina-solidarisch aufgestellt.

Hasan Ö. in einem X-Beitrag

Dass gerade er sich zudem auf den deutschen Ableger von Fridays for Future eingeschossen hat, hat dem Bericht zufolge damit zu tun, dass Hasan Ö. 2021 zunächst aus dem Social-Media-Team und Anfang 2023 sogar komplett von FFF Deutschland ausgeschlossen worden sein soll. Das bestätigte die Organisation der Zeitung. Mehrere Aktivisten sollen ihm unter anderem Antisemitismus und Verharmlosen von Terror gegen Juden vorgeworfen haben.

Hasan Ö. verharmlost palästinensischen Terror

Recherchen der „Welt“ zufolge zeigte Hasan Ö. nicht nur auf diesem Wege eine israelfeindliche Gesinnung. Er soll auch an der Social-Media-Kampagne der Gruppe „Bundestag 3 für Palästina“ teilgenommen haben, die sich für die gegen Israel gerichtete Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) einsetzt. Die BDS-Bewegung will den israelischen Staat wirtschaftlich, kulturell und politisch isoliert sehen.

Auf einem Foto der BDS-Bewegung und bei einem gefilmten Protestkonzert gegen den Kohleabbau im zwischenzeitlich besetzten Lützerath ist Hasan Ö. zudem mit einem Pullover zu sehen, das das Konterfei der Flugzeugentführerin Leila Khaled zeigt. Sie war ein Mitglied der palästinensischen Terrororganisation „Volksfront zur Befreiung Palästinas“, die 1969 in einer Maschine auf dem Weg von Rom nach Tel Aviv israelische Passagiere als Geiseln nahm.

In einem Beitrag auf seinem privaten X-Account wies Hasan Ö. kurz nach Veröffentlichung der Recherche der „Jüdischen Allgemeinen“ im August die Vorwürfe, er sei israelfeindlich und antisemitisch, zurück. „Selbstverständlich verachte ich jegliches antisemitisches Gedankengut. Jüdinnen und Juden sollten selbstverständlich unversehrt in Palästina und überall leben können, frei von Diskriminierung und Hass“, schrieb er.

Zudem erklärte er, „keine führende Rolle“ in der internationalen Social-Media-Gruppe von Fridays for Future zu haben. „FFF International ist einheitlich Palästina-solidarisch aufgestellt und steht deshalb FFF Deutschland sehr kritisch gegenüber, weil letztere eine beschränkte deutsche Sicht auf dieses Thema hat“, erklärte er weiter. Eine Anfrage des Tagesspiegels ließ Hasan Ö. am Freitag bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

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