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Ein großer Heuler: der Polarwolf.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (65): Der Polarwolf

Im Märchen frisst er kleine Kinder, dabei ist der Wolf ein soziales Wesen. Das hilft den Polarwölfen natürlich bei der Rudeljagd auf Rentiere.

Was für eine Affenhitze! Dieser Berliner Sommer kann nichts für Tiere sein, die sich im normalen Leben auf Grönland tummeln oder die arktischen Inseln Kanadas durchstreifen, auf der Suche nach Beute, nach Lemmingen, Schneehasen oder, wenn sie im großen Rudel jagen, auch mal einem Moschusochsen.

Es ist das Dilemma der Wildnis: Bist du alleine unterwegs, genügt dir eine Wühlmaus, um satt zu werden, doch gegen das Rentier hast du keine Chance; bist du mit 30 anderen Polarwölfen unterwegs, was willst du dann mit einem einzigen Jungvogel? So weit nördlich jedenfalls, wie der Polarwolf lebt, Canis lupus arctos, wohnen nicht einmal die Inuit, so unwirtlich ist es da.

Also liegt an diesem warmen Julitag Alva in einer schattigen Kuhle, den Kopf auf den Vorderläufen, und döst. Ihre drei Söhne Viktor, Casper und Artur haben sich in einer Höhle verkrochen; drei gibt es davon, eine von den Wölfen selbst gegraben, das ist ihr liebster Rückzugsort.

Doch jetzt kommt Leben ins Gehege: Zwei Tierpfleger sind eingetreten, mit Schubkarre und Rechen, das lassen sich Alvas Jungs nicht entgehen. Sie schnüren umher, eleganter Laufstil, beobachten, markieren ihr Revier. Schöne Wölfe.

Weiß das Fell, mit einem Schlag ins Elfenbeinfarbene; der Körper gedrungen, die Schnauze weniger spitz und die Beine kürzer als bei den Tieren, die in hiesigen Breiten heimisch sind. Wenn sie in eine schnellere Gangart fallen, bewegt sich der Körper lustig hüpfend auf und ab, ein Traben wie bei Pferden, das ist ihr Langstreckenlauf, sehr energiesparend.

Merkwürdiges Image. Der Hund ist gut, der Wolf ist böse. Er wird dämonisiert, im Märchen frisst er kleine Kinder, der Werwolf ist ein Mythos wie der Vampir, eine Bestie, reif für Hollywood.

Jack London setzte Wölfen ein literarisches Denkmal

Nur einer hat diesen Beutegreifern literarische Denkmäler gesetzt: Jack London. In vielen Erzählungen und Romanen tauchen sie auf, in „Wolfsblut“ sogar als Hauptrolle. Die Männer in Alaska ließen, als Unterhaltung in der Einsamkeit, „Wolfsblut“ gegen Hunde kämpfen: „All seine Anlagen waren feiner als die des gewöhnlichen Hundes. Nerven, Hirn und Muskeln arbeiteten besser zusammen. So konnte er den Sprung oder den Biss eines Hundes vermeiden und zugleich die unendlich kleine Spanne Zeit sich ausersehen, in der er selber angreifen konnte.“ Der Schriftsteller London mochte Nietzsches Übermenschen und die Wölfe – rohe, archaische Kraft.

Nun aber wird geheult. Eine ganze Schulklasse steht vor dem Zaun, Köpfe leicht in den Nacken gelegt: „Ouuuuh, ouuuuh ...“ Heiner Klös, 56, Zoologe und Kurator der Raubtiere im Zoo, kennt das. Fast alle Kinder heulen angesichts der Polarwölfe, das soll diese zum Nachmachen animieren.

Doch das Wolfsquartett bleibt stumm. Die menschliche Stimme interessiert die Tiere nicht. Alles schon ausprobiert. Sogar mit einer Opernsängerin hat es Klös versucht. Erfolglos. Dabei klingt Wolfsgeheul melodiös, auf Youtube gibt es lange Konzerte, Chorgesang. Es ist für die Tiere das Zeichen für den Aufbruch.

Womit man die Polarwölfe garantiert zum Heulen bringt? Mit einer Sirene der Feuerwehr oder der Polizei. Die haben den Wolfssound.

POLARWOLF IM ZOO

Lebenserwartung:  im Zoo gut 14 Jahre, in der Natur etwa 7 Jahre

Fütterungszeiten:  täglich gegen 14 Uhr, außer Mittwoch und Samstag

Interessanter Nachbar: Braunbär (im Gehege des weltberühmten Knut)

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