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Bares verschenken. Auch Geldpräsente können unter Umständen Freude bereiten.

© imago/Panthermedia

Die Geschenkkolumne: Nackte Grüße

Geld als Geschenk hat etwas Liebloses, Fantasieloses. Wenn man nicht aufpasst, wirkt es wie ein Almosen.

Jetzt wird’s heikel. Kein anderes Präsent (außer Unterwäsche) ist so ambivalent, kann – auf beiden Seiten – so mulmige Gefühle auslösen wie dieses: Geld. Profanes Geld.

Gerade habe ich den viel gelobten Roman „Normale Leute“ von Sally Rooney gelesen, das Geschenk einer guten Freundin, in dem es natürlich um alles andere als normale Leute geht. Die weibliche Hauptfigur kommt aus einer schwer gestörten, zu physischer und emotionaler Gewalt neigenden Familie. An Geld mangelt’s nicht, Marianne kann sich alles leisten, Wohnung, Studium, Vergnügungsprogramm. Weihnachten drückt ihr die Mutter 500 Euro in die Hand, in dem gleichen braunen Umschlag, in dem sie sonst der Putzfrau den Lohn überreicht. Keine Karte, kein Gruß, nichts. Nur eine klare Botschaft. Brutaler geht’s kaum.

Geld hat so was unverschämt Nacktes. Auf Büchern überklebe ich den Preis jedes Mal mit einem bunten Sticker, bei anderen Sachen puhle ich das verräterische Etikett sorgfältig ab. Wie peinlich, wenn man’s doch mal vergisst! Ich will nicht, dass der Wert eines Geschenks an den Euros und Cents gemessen wird, die ich dafür bezahlt habe. Sollte die Freundin ein wunderschönes Schälchen geringer schätzen, wenn es nur zwei Euro gekostet hat statt möglicher 20? Genauso wenig möchte ich selber wissen, was genau ein anderer für mich ausgegeben hat.

Bloß keine „Fiver Party“!

Beim Geld lässt sich das nicht verbergen. Klar kann man es verhüllen, in einen Blumenstrauß binden, wie entsprechende Ratgeber empfehlen, oder eine lustige Karte beilegen. Bloß nicht an eine billige Shampooflasche kleben. Das, hat mir neulich jemand erzählt, habe ihre Stiefmutter, die nie anderes als Bares verschenkte, gerne getan. Manchmal hing es auch an Putzmittel. Warum? Wusste sie auch nicht. Außer, dass es eine Botschaft war.

Geld als Präsent hat so was Liebloses, Fantasieloses: Ich habe mir die Mühe gespart, etwas zu suchen, was zu dir passt, dir Freude macht. Sicher kann Bares auch helfen. Aber wenn man nicht aufpasst, wirkt es wie ein Almosen.

Nüchtern veranlagte Zeitgenossen, umweltbewusste sowieso, argumentieren, dass Geld auf jeden Fall besser sei als so einen Sch... zu bekommen, der am Ende doch nur den Schrank verstopft oder beim Schrottwichteln landet. Haben sie auch wieder recht. Trotzdem, es gibt Grenzen. Ich zum Beispiel würde ein Mindestalter von, sagen wir, zehn Jahren ansetzen. Bloß keine „Fiver Party“! So heißt die amerikanische Unsitte, bei der den geladenen Gästen eines Kindergeburtstags gesagt wird, sie sollten anstelle eines Geschenks einen Fünf-Dollar-Schein mitbringen, damit die kleine Louise sich hinterher dafür etwas besorgen kann, was „more special“ ist. Das Ganze, so die Befürworter, habe auch einen wichtigen pädagogischen Effekt, dass nämlich Louise von klein auf lerne, Geld zu managen. Mit fünf Jahren? Nee, also wirklich.

Spielgeld für die Jugendlichen

Früher habe ich mich strikt geweigert, Bares zu verschenken, es wäre mir wie eine Kapitulation vorgekommen. Inzwischen bin ich milder geworden. Vor allem bei Jugendlichen und jungen Leuten, die eine Finanzspritze gut gebrauchen können. Spielgeld, mit dem sie machen dürfen, wozu sie Lust haben. Prassen zum Beispiel. Warum sollen sie warten müssen, bis ich irgendwann mal tot bin? Außerdem will ich selber was mitkriegen von ihrer Freude.

Wobei – bevor meine Schwester starb, und sie wusste, dass sie sterben würde, setzte sie ein Testament auf, in dem sie verschiedene Freunde bedachte, die nicht im geringsten damit gerechnet hatten. Und jedem schrieb sie genau auf, was sie damit zu lassen und zu tun hätten: Nicht wieder in die Kinder stecken! Mach eine schöne kleine Reise. Das Geld ist für Dich, nur für Dich.

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