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Gefühlsausbrüche, Freude, Ärger, hoher Puls, was von den Großmeistern David Howell und Jovanka Houska sowie Moderatorin Kaja Snare (von links) im Studio für Laien verständlich begleitet wird.

© Tsp

1,5 Millionen Dollar mit Magnus Carlsen: Wie Eurosport Schach-Turniere inszeniert

Zwischen Social Media, „Queen’s Gambit“ und heißer Emphase: Der Sender Eurosport hat mit Live-Übertragungen von Schachturnieren eine Lücke geschlossen.

Kaum ein Sport hat sich während der Pandemie so rasant verändert wie Schach. Aus dem Refugium für Sonderlinge ist online eine schnelle und lärmende Show geworden, in der auch betrogen wird. So der Tenor eines Artikels in der „FAZ“ vor ein paar Wochen. Kaum eine Streamingserie hat viele (auch schachunkundige) Menschen in den vergangenen Wochen so bewegt wie „Das Damengambit“ auf Netflix, die fiktive Geschichte einer jungen US-Amerikanerin, die aus dem Waisenhaus heraus mit ihren Schachkünsten die Welt erobert.

Die Wahrheit dürfte irgendwo dazwischen liegen. Fakt ist, dass Schach zu Corona-Zeiten eine Aufwertung erfahren hat, auch medial, und dass es für Eurosport kaum einen besseren Zeitpunkt gegeben haben dürfte, dem auf seinen Plattformen mehr Platz einzuräumen.

Der größte europäische Sportsender ist mit im Boot bei der jüngst startenden Champions Chess Tour mit Weltmeister Magnus Carlsen, dem „Skilling Open“. Eurosport übertragt derzeit täglich ab circa 17 Uhr 30 auf seinen digitalen Kanälen.

Der zum amerikanischen Discovery-Konzern gehörende Sender hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Ausflüge ins Schach unternommen, zum Beispiel beim WM-Kampf 2018 in New York, aber nie in dieser Größenordnung.

1:0 für Carlsen gegen Anish Giri. Eurosport überträgt das Turnier-Spiel des Weltmeisters (unten M.).

© Screen: Tsp

Preisgeld der neuen Turnierserie, die ins nächste Jahr läuft: 1,5 Millionen Dollar. 16 Großmeister kämpfen im K.-o.-Turnier um den Sieg, im Schnellschach. 15 Minuten Zeit pro Partie. Das bedeutet: Gefühlsausbrüche, Freude, Ärger, hoher Puls, was von den Großmeistern David Howell und Jovanka Houska im Studio für Laien verständlich begleitet wird.

Das Ganze manchmal etwas überemphatisch bei groben Fehlern ("My goodness!!“) – aber hier soll ja auch etwas verkauft werden, was lange Zeit das Image der Klötzchenschieberei hatte (so einst Franz Beckenbauer über die Schachabteilung des FC Bayern).

Von wegen Klötzchen. Schachportale wie chess24 oder lichess verzeichnen Zuläufe. Chess.com hat weit über 20 Millionen Mitglieder. Durch Corona hat sich die Welt des Onlineschachs drastisch verändert, beschleunigt, auch kommerzialisiert, mit viel Social Media, Influencern und Followern wie beim US-Großmeister Nakamura, der bei den „Skilling Open“ mitspielt.

Das ist anders als in der Netflix-Serie „Queen’s Gambit“, die die Aura der perfekt kontrollierten 64 Felder beschwört und in die 60er Jahre abtaucht.

Das spricht aber nicht gegen Liveberichte von Schachturnieren, bislang leider nur kostenpflichtig auf Eurosport digital (via Joyn+-App). Im Free-TV bei Eurosport 1 sollen Highlights der aktuellen Serie 2021 zur besten Sendezeit laufen. Bei "Sportschau" oder "Sportstudio" sucht man so etwas seit Jahren vergebens.

Ein Trost für Fans des klassischen Schachs. Wann es mit dem im Frühjahr wegen Corona abgebrochen Kandidatenturnier und dem WM-Kampf gegen Carlsen weitergeht, ist unklar.

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