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Witwentröster: Johannes (Oliver Mommsen) steht seiner Jugendfreundin Martina (Stefanie Stappenbeck) bei, deren Mann verschollen ist. Doch seine Motive sind nicht uneigennützig. Foto: ARD

© ARD Degeto/WDR/Willi Weber

ARD-Jahresauftakt: Trauer, Wut, Hoffnung

Ein Mann kehrt von einem Segeltörn in der Bretagne nicht zurück. Schauspieler Oliver Mommsen veredelt den romantischen ARD-Thriller „Ohne Dich“.

Es sind bloß Kleinigkeiten, doch sie sorgen dafür, dass von Anfang an ein Schatten über der scheinbar idyllischen Beziehung von Martina (Stefanie Stappenbeck) und Ralf (Andreas Pietschmann) liegt. Das Pärchen betreibt gemeinsam ein Restaurant in Köln und macht Urlaub in der Bretagne. Eines Tages kommt es zur Tragödie: Ralf geht segeln und kehrt nicht mehr zurück; das Boot wird verwaist gefunden. Weil es aber auch keine Leiche gibt, ist Martina sicher, dass ihr Lebensgefährte noch lebt. Ihre Überzeugung ist so stark, dass sie die Träume von Ralfs nächtlichen Besuchen für Wirklichkeit hält; erst recht, als sie am nächsten Morgen zwei benutzte Gläser findet. Es gibt nur einen Weg, die Wahrheit herauszufinden: Sie muss noch mal nach Frankreich.

Die Handlung ist weder neu noch spektakulär, aber Buch (Ulrike Stephan) und Regie (Florian Baxmeyer) versehen die Geschichte von Anfang an mit einer ganz speziellen Atmosphäre, an der auch die Bildgestaltung (Arthur W. Ahrweiler) und vor allem die lauernde Musik großen Anteil haben. Enjott Schneiders Kompositionen versehen die Aufnahmen mit einer Abgründigkeit, die ständig nahelegt, den Bildern nicht zu trauen: weder der anfänglichen Idylle noch der späteren Einsamkeit. Martinas Mutter (Renate Krößner) bleibt ebenso eine Nebenfigur wie ihr Bruder (Stefan Grossmann). Es geht einzig und allein um die selbstbewusste junge Frau und ihre Trauer; alles andere ist bloß Ablenkung, wie Baxmeyer quasi zwischen den Zeilen vermittelt.

Eine besondere Rolle spielt allerdings Oliver Mommsen: Weinhändler Johannes ist Martinas Exfreund und verfolgt keineswegs nur uneigennützige Motive. Die Undurchsichtigkeit des Witwentrösters hat großen Anteil an der Rätselhaftigkeit des Films. Für den vor allem als „Tatort“-Partner von Sabine Postel bekannt gewordenen Mommsen ist diese Figur ebenso ungewöhnlich wie vor einigen Wochen seine Rolle in dem Jugenddrama „Komasaufen“: weil der gebürtige Düsseldorfer, wenn er nicht gerade als Kommissar Stedefreund in Bremen auf Mördersuche geht, meist positive Figuren spielt, gern in Komödien wie „Tote Hose“ (Pro 7) oder „Mich gibt’s nur zweimal“ (Sat 1) und in Romanzen wie „Eine Robbe zum Verlieben“ (ARD) oder „Tierisch verknallt“ (Sat 1). Ausgesprochene Schurken verkörpert der Wahl-Berliner eher selten; vermutlich, weil er dafür einfach zu sympathisch aussieht. Gerade deshalb aber ist es umso wirkungsvoller, wenn er Zeitgenossen spielt, die wie in „Komasaufen“ gar nicht nett sind oder, wie hier in „Ohne Dich“, zumindest undurchschaubar. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel beteuert Mommsen zwar, er fühle sich in Komödien „unheimlich wohl“, und außerdem liebe er es, sich „mit Figuren zu beschäftigen, vor denen mich jeder warnt“. Aber er spiele auch gern „ganz reduzierte Rollen. Das ist doch das Tolle an diesem Beruf: Er ist so wahnsinnig vielseitig.“ Deshalb findet er vor allem solche Figuren spannend, die möglichst wenig mit ihm selbst zu tun haben: „Man wird ja nicht Schauspieler, um sich selbst zu spielen.“ Andererseits kann das offenbar auch großen Spaß machen. Als er im letzten Jahr in der Komödie am Kurfürstendamm in dem Stück „Das fette Schwein“ mitspielte, hätten seine Freunde das folgendermaßen kommentiert: „Seit 15 Jahren quälst du uns mit deinem Mist, und jetzt wirst du auch noch dafür bezahlt.“

Auch als Komödiant aber gibt Mommsen dem Affen nur selten Zucker. Seine Spielweise passt daher gut zum Gesamtbild von „Ohne Dich“, denn die Wirkung des Films entfaltet sich dank Inszenierung und Musik ohnehin gewissermaßen subkutan. Deshalb lebt der stille Thriller auch weniger vom Offensichtlichen, sondern vor allem von dem Abgrund, den man hinter den Bildern erahnt. Stefanie Stappenbeck spielt die Rolle der jungen Frau, die von einem Moment auf den anderen den Boden unter den Füßen verloren hat, famos. Sie ist in jeder Einstellung bedingungslos glaubwürdig: am Anfang, als Martina vor Liebe nur so strahlt, ebenso wie später, als ihr Zustand ständig zwischen Zuversicht und Verzweiflung wechselt. Ganz wichtig für die entsprechenden Szenen ist die Zeit, die Baxmeyer seiner Hauptdarstellerin gibt, um diese Gefühle auszuleben.

Und so ist „Ohne Dich“ vom Vorzeichen her zwar ein romantischer Thriller, doch die Spannung entsteht vor allem durch die Mischung aus Hoffen und Bangen, die man dank Stappenbecks Spiel mit der Hauptfigur teilt. Schade nur, dass die Auflösung des Geheimnisses und damit auch der Schluss etwas kraftlos ausfallen.

„Ohne Dich“, Donnerstag, 20 Uhr 15, ARD

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