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Seinem Motiv auf den Fersen: Filmemacher Witali Manski (re.) mit Wladimir Putin im ersten Jahr der Präsidentschaft

© Juri Feklistow

Arte-Doku über Putin: Der junge Monarch

Putin im ersten Amtsjahr: Ein Dokumentarfilm mit altem Filmmaterial und neuer, kritischer Sicht.

„Das Leben von Monarchen ist ziemlich kompliziert“, sagt Wladimir Putin. Denn diese Menschen gehörten sich nicht selbst. Er dagegen freue sich auf ein normales Leben nach Ablauf der Amtszeit. Russlands Präsident sitzt in seiner Dienstlimousine und plaudert mit Vitaly Mansky, der einen Film fürs staatliche Fernsehen dreht. Wir sehen einen entspannten, nachdenklichen Putin, der ein Loblied auf die Demokratie singt und darauf, wie sinnvoll es ist, sich nicht „von monarchischen Ambitionen“ leiten zu lassen.

Die Aufnahmen entstanden Ende 2000, Putin war erst ein Jahr im Amt, aber in ein „normales Leben“ zurückzukehren, darauf hat er bis heute keine Lust. Mansky war damals eine Art Hofberichterstatter, er drehte im Auftrag Putins einen Film über dessen Präsidentschaftswahlkampf. Sein Dokumentarfilm „Putins Zeugen“ ist der Versuch, das alte Material mit anderen, nun kritisch-distanzierten Augen zu betrachten. „Seit 2012 war mir klar, dass ich falsch gelegen hatte“, sagte Mansky im Interview für das Zürich Film Festival im vergangenen Oktober. Als sich Putin für eine dritte Amtszeit als Präsident zur Wahl stellte, „wurde mir klar, dass er alle betrogen hatte und sich für immer an dieses Amt klammern würde“.

Mansky lebt mittlerweile im Exil, im Film bezichtigt er sich selbst. Er habe naiv gedacht, nur ein Zeuge gewesen zu sein. Aber das Leben habe ihm „und ja uns allen bewiesen, dass schweigende Zustimmung aus Zeugen Mittäter macht. Also haben wir uns alle willentlich zu Geiseln eines Mannes gemacht, der uns eine helle Zukunft verhieß, die sehr stark an die finstere Vergangenheit erinnert“.

Sein Film „Putins Zeugen“ beschränkt sich auf das Jahr 2000 und bezieht seinen Reiz aus der Tatsache, dass Mansky direkten Zugang zu Putins Wahlkampfteam und zu seinem Vorgänger Boris Jelzin hatte. Wenn der schon gesundheitlich angeschlagene Jelzin am Wahlabend im Kreise seiner Familie auf die Ergebnisse wartet, ist das streckenweise auch etwas banal. Aber die Innenansichten bieten einen ganz eigenen Blick auf die ersten Monate der Putin-Ära.

Jelzin war sichtbar erleichtert, sein Amt, das er am Silvesterabend 1999 kommissarisch an Putin übertragen hatte, los zu werden. „Ganz Russland auf deinen Schultern“, stöhnt er. Und seine Tochter Tatjana, die als einflussreiche Beraterin galt und die auch den Wahlkampf Putins unterstützte, jubelt: „Papa ist endlich frei.“ Als Boris Jelzin Putin telefonisch gratulieren will, lässt der ihn jedoch erst mal warten.

Mansky ist auch dabei, wenn Putins Wahlkampfteam den Sieg feiert – und zählt aus dem Off nüchtern auf, wer schon bald in die Opposition ging. Zu sehen ist, wie der neue Präsident Russlands aus PR-Gründen seine alte Lehrerin in St. Petersburg besucht – eine Idee Manskys. Und wie Putin mit seinem Chronisten unter vier Augen darüber debattiert, warum er die alte Nationalhymne der Sowjetunion wieder als Hymne Russlands eingeführt hat. Auch die Rolle der Medien kommt zur Sprache.

„Wenn Putin gewinnt, dann wird die Medienfreiheit auf jeden Fall gesichert sein“, erklärt Jelzin einem Fotografen am Ende des Wahlabends. Dass Putins Wahlkampfteam den Abend vor dem Fernseher verbringt, kommentiert der Autor aus dem Off dann mit dem Hinweis: Kaum ein Jahr später sei NTW, „der beste Fernsehsender des Landes“, zerschlagen und praktisch verstaatlicht worden. NTW wurde in den Besitz des Energiekonzerns Gazprom überführt, an dem der russische Staat die Mehrheit der Aktien hält.

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„Putins Zeugen“, Arte, Mittwoch, 22 Uhr 05

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