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Ballermann, 1990. Matthias „Matti“ Adler (Henning Baum) muss erkennen, dass der Auswanderertraum von der großen Freiheit auf Mallorca ebenso große Widerstände hervorruft.

© RTL / Pep Bonet

TV-Serie „Der König von Palma“: Auf den Schwingen des Bieradlers

Statt einer weiteren Ballermann-Komödie ist RTL+ mit „Der König von Palma“ bei RTL+ eine vielschichtige Drama-Serie gelungen.

Endlose Palmenstrände, Sportboote, Dauerparty, plastiktütenweise Geldscheine und dazu Kastagnetten zu Gitarrenklängen – ein wenig „Miami Vice“ und „Narcos“ schwingt in der Eröffnungssequenz von „Der König von Palma“ mit, auch wenn es dann doch auf Musik von Costa Cordalis, Bata Illic und den unvermeidlichen Jürgen Drews hinausläuft.

In der sechsteiligen Streamingserie von RTL+ wird der Deutschen liebste Ferieninsel und insbesondere die berühmt-berüchtigte Partymeile Ballermann des Jahres 1990 mit einer fiktionalen Erzählung in Szene gesetzt, ohne Glorifizierung von Alkoholexzessen, aber auch ohne Naserümpfen über den Massentourismus.

Den beiden Showrunnern Veronica Priefer und Johannes Kunkel von Ufa Fiction ist mit „Der König von Palma“ eine Serie gelungen, die ebenso dramatisch wie feinfühlig ist, dabei vielschichtig, aber nie überfrachtet. Die einige Längen hat, aber den großen Bogen immer im Blick behält. Und die so unvorhersehbar bleibt, dass an einer zweiten Staffel eigentlich kein Weg vorbeiführt, damit die Geschichte nicht unvollendet bleibt.

[„Der König von Palma“, sechs Folgen, ab Donnerstag bei RTL+. Bei RTL läuft die Serie rund um Ostern am 15., 18. und 19. April im Free TV]

An Recherchematerial hat es freilich auch nicht gemangelt, angefangen beim „Mallorca Magazin“ über „Bild Mallorca“ bis hin zu zahlreichen TV-Reportagen. Immer wieder werden Originalvideos aus der Zeit hineinmontiert und geben einen authentischen Eindruck von der Insel und der Partymeile der Nach-Wende-Ära.

Eine gewisse Nostalgie mag bei „Der König von Palma“ dabei sein, Erinnerungen an eigene Mallorca-Urlaube, aber auch an eine Epoche, in der Themen wie Globalisierung und Terrorismus noch nicht die Bedeutung hatten und in der es noch keine Smartphones gab, mit denen jedes Fehlverhalten seinen Weg ins Internet findet.

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Henning Baum („Der letzte Bulle“) spielt einen mit seinem Job unzufriedenen Autoverkäufer aus Dortmund, der mit der Ballermann-Kneipe „Bieradler“ seinen Traum von Freiheit ausleben will. Matthias „Matti“ Adler ist ein Macher, Aufgeben ist für ihn keine Option. Dass der in Essen geborene Schauspieler das Ruhrpott-Idiom perfekt beherrscht, verleiht der Figur zusätzliche Authentizität. Wobei Matti besser Spanisch und Mallorquinisch lernen sollte.

Bianca Bärwald (Pia Micaela Barucki) stammt aus dem Osten Deutschlands. Sie möchte die Urlaubs-Ausnahmesituation zum Dauerzustand machen und zieht einen Job als Kneipenbedienung dem Rückflug mit dem Ferienflieger vor. Sie steht zugleich für die 16 Millionen Noch-DDR- Bürger, die nach dem Fall der Mauer als potenzielle neue Mallorca-Urlauber auf der Insel eine Goldgräberstimmung sondergleichen ausgelöst haben.

Wiedervereinigung auf der Playa de Palma

Auf der Playa de Palma wird die Wiedervereinigung quasi vorweggenommen. Die Fußball-Weltmeisterschaft in Italien 1990 spielt selbstredend auch eine Rolle. Mit ihrem Traum von Freiheit und glücklichem Neuanfang in der Fremde sind Matti und Bianca Seelenverwandte, die zwangsläufig aufeinanderprallen.

Die beiden Auswanderer aus den beiden Teilen Deutschlands verbindet zudem ihre Naivität. „Der König von Palma“ ist keine Geschichte eines Helden, der kam, sah und siegte. Mit seiner Einstellung bekommt man vor allem eins: schnell und fest auf die Fresse. Und auch Bianca kommt nicht ohne Blessuren davon. Denn der „Der König von Palma“ ist keine Fortsetzung von Reality-Formaten wie „Auf und davon“ oder „Goodbye Deutschland!“.

Bianca Bärwald (Pia Micaela Barucki) steht auf Schlager von Costa Cordalis, gespielt von Sohn Lucas.

© RTL / Pep Bonet

Mattis Frau Sylvie (Sandra Borgmann) ist von anderem Schlag. Sie nimmt das Leben, wie es ist, nicht wie sie es sich wünscht. Dieser Pragmatismus ist es auch, warum sie Deutschland zunächst nicht verlassen will, später aber realistisch die Probleme angeht. Und davon gibt es genug. Denn die Mallorquiner begegnen den Migranten abweisend, sind besorgt wegen der Überfremdung.

Zugleich verschieben sich auf der Insel die Machtverhältnisse zwischen den alteingesessenen Familien und einer jungen, aufstrebenden Schicht, die das ganz große Geld wittert und ihren Teil vom Profit abhaben will. Der Mythos vom Auswandererglück wird in dieser Wild-West-Stimmung einem harten Realitätscheck unterzogen. Der mafiöse Gastronom Manuel Diaz (David Lifschitz), der den Ballermann für sich allein haben will, wird dabei vom örtlichen Polizeichef Antoni Gomila (Pep Tosar) unterstützt.

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Nicht nur der Alkohol fließt in Strömen, dazu kommen harte Drogen und das Glücksspiel. Vor allem für Mattis Bruder Uwe (André M. Hennicke), gerade frisch aus dem Knast gekommen, eine Versuchung. Im sogenannten Las Vegas der Deutschen wird mit harten Bandagen gekämpft, selbst vor Mord wird nicht zurückgeschreckt.

Was Veronica Priefer und Johannes Kunkel auch erzählen wollen: Der Traum vom Glück unter Palmen erfordert Disziplin, Durchhaltewillen und Durchsetzungsstärke. „Die Sonne auf Mallorca kitzelt die Probleme raus, vor denen du eigentlich davonlaufen wolltest. Es gibt keinen Schatten, um sie zu verstecken“, erzählte ihnen eine langjährige Auswanderin.

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