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© ZDF

ZDF: Der Simmel-Simulant

Das Remake von "Und Jimmy ging zum Regenbogen" spielt in den 90er Jahren – kommt dort aber nicht an. Nicht einmal gute Schauspieler wie Heino Ferch und Dennenesch Zoudé überzeugen.

Der Titel, den Johannes Mario Simmel seinem Roman gab, „Und Jimmy ging zum Regenbogen“, ist eine Gedichtzeile und zugleich ein Code – sehr beziehungsvoll also, ein idealer Titel. Vielleicht ein bisschen lang, dafür poetisch, schon durch das seinerzeit beliebte frei stehende „und“ am Anfang. Das Werk stammt von 1970 und behandelt eine noch frühere Zeit. Alte Nazi-Schuld, Verrat, Mord und Giftgas bilden den von schweigenden Zeugen, leidenden Müttern, verrückten Erfindern und skrupellosen Geheimdiensten umwaberten Inhaltskern.

Carlo Rola, der Regisseur des Remakes – es gab schon eine Verfilmung von Alfred Vohrer in den 70er Jahren – und sein Drehbuchautor Jürgen Büscher haben die Handlung in die 90er Jahre versetzt, um sie uns ein bisschen näher zu bringen. Aber es hat nicht recht hingehauen. Dramaturgie und Rhythmus wirken schwerfällig, so als wolle sich der Film partout nicht aus der Epoche seiner Vorlage lösen, als sperre er sich gegen das Heute. Sehr gemächlich rollt die Geschichte vor uns ab, überzeugen können höchstens die ruhigen Dialogszenen, denn immer wenn es mit der Action losgeht, fühlt es sich an, als habe der Film sein Gleisbett verlassen. Man ist ja heute mehr Tempo gewohnt und akzeptiert Langsamkeit nur, wenn sie durch außerordentliche Bilder oder eine komplizierte Psychologie gerechtfertigt erscheint. Von beidem kann bei „Jimmy“ keine Rede sein. Nicht einmal die ja als ausgezeichnet bekannten Schauspieler Heino Ferch und Dennenesch Zoudé nehmen einen wirklich gefangen. Das bleibt Judy Winter als unergründlicher Bordellchefin Nora vorbehalten, immerhin. Aber sie hat nur zwei Szenen.

Was uns der Dichter mit seinem Roman sagen wollte, ist deutlich, und es wurde auch vernommen. Sie müssen alle auf den Tisch, die furchtbaren Hypotheken, mit denen das neue deutsche Haus, die Bundesrepublik, erbaut wurde: die alten Nazis, die neuen Lügen, die Tarnungen und Ausflüchte, das muss alles geklärt und gesühnt werden. Heute, fast vierzig Jahre später, ist die Brisanz aus der Message raus. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass immer noch weiter geklärt und gesühnt werden müsse, aber dann bräuchte so ein Film mehr Furor und mehr Biss. Allen Aktualisierungsbemühungen zum Trotz atmet der neue „Jimmy“ eher die Gefühlslage einer Zeit, in der eine verschwiegene jüdische Abstammung und ein unterschlagener gefallener Onkel noch wirklich zum Familienskandal taugten. Im Grunde ist das ein schöner Beleg dafür, dass die Literatur, was die schwer fassbare auratische Wirkung betrifft, doch stärker sein kann als die filmische Adaption. Simmel jedenfalls hat sich seinen „Jimmy“ nicht rauben und in die 90er versetzen lassen, er beamte stattdessen den ganzen Film gegen die Intentionen von Regisseur und Autor in seine Zeit zurück. Dafür steht auch Judy Winter, die schon bei der Erstverfilmung dabei war und jetzt, obwohl gealtert, als Einzige wirklich lebendig ist.

Was es mit dem von Frau Nora erwähnten mysteriösen „AP Sieben“ auf sich habe – diese Frage sorgt im letzten Teil des Films dann doch noch für Spannung. Es ist der Schrecken zur Potenz, der große Tod. Protagonist Aranda (Heino Ferch) kommt dahinter, denn er versteht als Einziger die Verbindung von Lyrik und Weltuntergang. Um die Formel zu entziffern, braucht man eine Chiffre, und dabei kommt die Poesie ins Spiel – zu gänzlich unpoetischen Zwecken. Die 70er Jahre und Simmel liebten dieses Spiel mit versteckten Anspielungen, und es ist auch wirklich sehr hübsch. Aber es ist Literatur. Im Film wirkt es seltsam gekünstelt.

„Und Jimmy ging zum Regenbogen“; 20 Uhr 15, ZDF

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