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Ein Mann stellt in einem Auto den Radiosender "Deutschlandfunk" ein.

© Marcus Brandt/dpa

Deutschlandfunk stellt Staumeldungen ein: Entspannung zwischen Katernberg und Elberfeld

Bundesweite Staumeldungen seien überflüssig, heißt es, weil alle Autos Navi hätten. Als gingen Staumeldung nur Autofahrer etwas an! Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Das Problem mit dem Feedback, ist, dass sich nur diejenigen zu Wort melden, die Änderungen wünschen. Und nicht diejenigen, die zufrieden sind. Als neuestes Opfer dieses fatalen Umstands darf man ab Samstag die Staumeldungen des Deutschlandfunks betrauern, die der Sender nicht mehr senden will.

Viele Hörer und Hörerinnen hätten sich an den meist minutenlangen Verlesungen irgendwelcher Verkehrszusammenbrüche auf Deutschlands Autobahnen gestört, teilte der Deutschlandfunk mit und kündigte an, die durch das Weglassen freiwerdende Zeit mit Nachrichten füllen zu wollen.

Trotzdem kann man die Entscheidung nur bedauern. Die Staumeldungen sind ja nicht nur ein Überblick über das Verkehrsgeschehen, sie sind – besonders morgens - auch Zeit zur Kontemplation. Das Radio läuft, die Moderatoren sprechen betonungslos, Information fließt, ist aber für diejenigen, die nicht in den betroffenen Regionen unterwegs sind, was die Mehrheit der Zuhörerinnen und Zuhörer sein dürfte, ohne praktischen Nutzen. Sie können, ohne die Befürchtung etwas zu verpassen, die Kaffeemaschine anstellen, ohne dass deren Arbeitsgeräusche wichtige Informationen überblubbern, oder Zähne putzen gehen.

Zwischen Ellwangen und Dinkelsbühl-Fichtenau

Außerdem, auch das übergeht der Schluss-Beschluss, vermittelten die Verkehrsmeldungen eine Idee von Deutschlands geographischen Zusammenhängen. Wenn die Staus auf der A1 sich von Nord nach Süd durchs ganze Land verstreuen, lernt man auch etwas. Oder wenn auf der Umgehungsautobahn von München verschiedenen Anschlussstellen genannt werden. Und wer hätte je von Kirchheim Teck-West (A8) gewusst, wenn nicht aus den Staumeldungen? Oder von Katernberg und Elberfeld (A46)? Und fragt man sich nicht manchmal, was da eigentlich los ist zwischen Ellwangen und Dinkelsbühl-Fichtenau, dass man da dauernd im Stau steht?

Besser dagegen läuft es inzwischen offenbar auf der A2 bei Irxleben, von der man lange nichts gehört hat. Was insofern passt, als der Osten insgesamt in den Staumeldungen keine allzu große Rolle spielt. Vor allem die Region Berlin/Brandenburg schafft es jenseits des Signalworts „Rastplatz Michendorf“ nur selten auf den Vorlesezettel. Anders Hamburg, weshalb Staumeldungsfans kaum gewundert haben durfte, dass die Hansestadt kürzlich zur Staustadt Nummer 1 gekürt wurde.

Staumeldungen sind in ihren unterschiedlichen Längen zudem ein Metabild deutscher Geschäftigkeit. Wochentags morgens und abends: Chaos! Minutenlage Staumeldungen „mit Staus ab acht Kilometern“. Ab acht! Wo  doch schon drei Kilometer Stau jeden normal gestressten Menschen völlig fertig machen. Am Wochenende dann auch verkehrsmäßige Ruhe mit nur kurzen Meldungen zu „längeren Staus“.

Glück ist, wenn es sich woanders staut

Die Menschen hätten heute alle ihre Navigationsgeräte im Auto, führt der Deutschlandfunk zur weiteren Begründung für sein gestrichenes Service-Angebot an. Aber das stimmt erstens so auch nicht. Und zweitens informieren die ja nur über Staus auf der Strecke, aber was, wenn man auf der A71 von Nord nach Süd unbehelligt unterwegs ist, während sich woanders gerade Staus aufbauen (womöglich gar auf der parallel verlaufenden A9). Wer verschafft einem dieses überwältigende Glücksgefühl? Doch kein Navi! 

Trotzdem findet offenbar eine behauptete Mehrheit des Radiopublikums die Staumeldungen „nicht mehr zeitgemäß“. Und behaupteten Mehrheiten zu folgen ist ja gerade Trend im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 

Die verbliebene Unsicherheit ist nun, was der Deutschlandfunk mit den Temperaturmeldungen aus aller Herren Länder macht, die zwar nicht alle halbe Stunde, sondern viel seltener verlesen werden, deren Sinnhaftigkeit aber noch viel fragwürdiger ist als die von Staumeldungen. Oder hat sich jemals jemand gefragt, wie warm oder kalt es wohl heute um sieben Uhr in Larnaca gewesen sein mag?

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