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Nora Tschirner als Sprecherin einer Wissensserie

© Marco Justus Schöler

Die Antwort auf fast alles: Nora Tschirner und der Star am Mikro

Das Arte-Format „42“ liefert Antworten auf fast alles. Wäre da nicht der Charme der Sprecherin.

Was viele Wissenschaftler kennzeichnet, ist die unbedingte Bereitschaft, sich dem jeweiligen Forschungsgebiet mit Leib und Seele hinzugeben. Einige untersuchen ihr Leben lang dieselbe Flechtenart oberhalb der usbekischen Baumgrenze, andere spritzen sich Keime und Drogen im Selbstversuch.

Susanne Wedlich dagegen studiert Schleim. Mehr noch: Die Biologin liebt ihn. „Natürlich bin ich eine Schleimliebhaberin“, sagt sie in einem Fernsehformat, dessen Untertitel behauptet, „Die Antwort auf fast alles“ zu geben. Also auch auf die Frage, wie wichtig das klebrige Zeug ist, mit dem sich Susanne Wedlich so konsequent beschäftigt.

Klingt drollig, scherzhaft, banal, ein bisschen wie Peter Lustig als Joachim Bublath. Susanne Wedlichs drolliger Schleimexkurs ist Teil einer Wissensserie, die auf Arte bei aller scherzhaften Banalität Dinge von verborgener Bedeutsamkeit verhandelt und dafür im Obertitel die Antwort aller Antworten bereithält: „42“. Mit dieser Zahl hat Douglas Adams einst alle Unklarheiten seiner Romanreise „Per Anhalter durch die Galaxis“ beseitigt.

Jetzt schickt sie der Kulturkanal Arte vorerst sechs Teilen einer Kurzfilmreihe voraus, in der es bei aller Heiterkeit um existenzielle Fragen geht („42 – Die Antwort auf fast alles“, Samstag, Arte, 22 Uhr 40 und bereits in der Arte Mediathek).

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Den Auftakt macht jene, ob die Menschheit sich durch den Globus graben, gefolgt von der, ob sie ersatzweise auf dem Mond leben könnte. „Sollten wir losen statt wählen?“, möchte Regisseurin Romy Steyer im dritten Teil wissen, bevor Antonia Schanze das gesamte Leben auf dem Planeten zu wiegen versucht, bis Alexander Lahl und Max Mönch endlich ergründen, was wohl wäre, „wenn es keinen Schleim gäbe?“ Die Antwort lautet natürlich nicht „42“, sondern schlichtweg: ziemlich wenig.

Dafür ist niemand besser geeignet als Nora Tschirner

Schleim, lernen wir in 26 Minuten Sendezeit, bildet schließlich Anfang und Ende von allem, was lebt. Schleim ist die Oberfläche der Meere und die Tiefe der Erde. Schleim, dozieren Fachleute aller Art, werde mal Biofilm genannt, mal Exopolysaccharide. Schleim ist so vielfältig, dass ihn die Sprecherin aus dem Off mit Szenen aus Horrorfilmen, Comic-Heften, Autounfällen garniert. „42. Die Antwort auf fast alles“ will uns nicht belehren, gar erziehen.

Es geht um spielerische Wissensvermittlung für Erwachsene. Dafür ist niemand besser geeignet als Nora Tschirner. Mit ihrer lakonischen Stimme verleiht sie dem heiligen Ernst aller Fragen Relevanz und Lockerheit.

Wenn man sich vom Eiffelturm senkrecht 12 700 Kilometer durch den Erdball grübe und vor Neuseeland im Meer wieder rauskäme – „was würde uns da alles begegnen?“, fragt Tschirner zum Auftakt der ersten Folge. Schon ihr fröhlich quakendes Timbre deutet an: eine Menge, aber wir werden es nie erfahren, weil unsere Spezies von ihrer Heimat, wäre sie ein Pfirsich, bislang noch nicht mal die Haut ganz durchbohren konnte.

Abgesehen vom Star am Mikro, der das deutsche Infotainment mit Katrin Bauerfeind und Charlotte Roche auf emanzipiert weibliche Art umzukrempeln scheint, ist die Hauptfigur des Sechsteilers selbstironische Unwissenheit. Das Wirkprinzip lautet: Neugierde, gepaart mit der Expertise wechselnder Wissenschaftler, die den Schleimgehalt der Ozeane am Beispiel einer Schokotorte schildern und unsere Unkenntnis des Erdinneren am Klang alter Sprichworte.

„Es gibt’n schönen Bergmannsspruch“, sagt der Geologe Ulrich Harms – ab Freitag bereits in der Mediathek oder bei Artes Youtube-Kanal und samstags dann auch im linearen Fernsehen: „Vor der Hacke ist es duster“. Dann lächelt er und fügt sanft „genauso isses“ hinzu. In diesem Tonfall positioniert sich das Format mitsamt seiner Protagonisten gleich zu Beginn angenehm lässig zwischen „Sendung mit der Maus“ und „Terra X“, also kindgerechter Klarheit und gravitätischem Bombast.

Der plödderige Hintergrundsound von „42“ orientiert sich zwar manchmal ein wenig zu arg an ARD-Schmunzelkrimis. Das stört nicht weiter, wenn Nora Tschirner (von der am Donnerstag bekannt wurde, dass sie tatsächlich, wie Christian Ulmen, mit dem Weimarer „Tatort“ aufhört) „wie konnten wir nur so schleimblind sein?“ fragt und keine Weisheiten sucht, sondern originelle Fakten mit Witz und Charme.

Jan Freitag

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