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Erfolgreiche Forschung. Die Mikrobiologin Steffi Rocchi hat den zunehmend resistenten Schimmelpilz Aspergillus fumigatus in der Umwelt nachgewiesen.

© Broadview Pictures

Arte-Doku: Die stillen Killer

Eine Arte-Dokumentation veranschaulicht den globalen Kampf gegen die wachsende Antibiotika-Resistenz.

„Ich sehe aus wie eine gesunde 29-Jährige“, erklärt Ella Balasa, eine sportliche Frau, der wir beim Tennisspielen zusehen. Doch der Schein täuscht. „In meinem Körper tobt ein Kampf, den Menschen nur schwer verstehen können.“ Als Kleinkind diagnostizierte man bei ihr Mukoviszidose, eine Stoffwechselerkrankung, bei der sich dicker Schleim in den Lungen bildet. Dadurch entstehen lebensbedrohliche Infektionen. Und gegen die helfen nur Antibiotika. Bislang war das so. Denn die Wirkung des einstigen Wundermittels lässt immer mehr nach.

Diese lebensbedrohliche Entwicklung betrifft aber nicht nur die junge Amerikanerin. Mehr als fünf Millionen Menschen sterben jährlich an Infektionen, die in Zusammenhang mit Antibiotika-Resistenzen stehen. Nach seiner Dokumentation über die Vermeidbarkeit des Corona-Ausbruchs widmet Michael Wech sich in seinem neuen Film der „stillen Pandemie“.

So nennt die Weltgesundheitsorganisation WHO seit 2021 einen gefährlichen Trend: Bakterien und andere Erreger entwickeln gegen verfügbare Antibiotika Resistenzen – und zwar schneller, als neue Mittel erforscht werden können. („Stille Pandemie. Der globale Kampf gegen Antibiotika-Resistenz“, Arte, Dienstag, 20 Uhr 15)

Dieser fatalen Entwicklung hat selbst die Marktwirtschaft nichts entgegenzusetzen. So investieren Pharmaunternehmen längst nicht mehr in die Entwicklung neuer Antibiotika. Neue Präparate, die mit hohem Kostenaufwand entwickelt und getestet werden müssen, sind nach kurzer Zeit wirkungslos. Ihr Vertrieb verspricht keine solide Rendite.

Dieser Teufelskreis resultiert aus einem hausgemachten Problem. Penizillin galt nach seiner Einführung als Wundermittel schlechthin. Kühe wuchsen schneller wenn man es ihnen pro forma verabreichte. In den 60er Jahren wurde so die Industrialisierung der Viehzucht massiv vorangetrieben. Und wenn US-Amerikaner eine Erkältung bekamen, dann töteten sie selbst harmlose Krankheitskeime mit einer Antibiotika-Breitseite ab.

Spannend wie eine Sherlock-Holmes-Geschichte

In diesem biologischen Krieg, so führt der Film vor Augen, rüsteten Bakterien immer mehr nach. Sie wurden allmählich resistent. Im Zuge einer Reise, die von den USA über England, Deutschland und Uganda bis nach Pakistan führt, führt der Film an zahlreichen Beispielen vor, wie unterschiedliche Formen resistent gewordener Erreger ihr Unwesen treiben. Sichtbar wird so „eine Pandemie, die viele verschiedene Krankheiten umfasst – eine Hyperpandemie“.

Spannend wie eine Sherlock-Holmes-Geschichte ist die Identifizierung eines toxischen Schimmelpilzes, dem im niederländischen Universitätsklinikum von Nijmegen mehrere Menschen zum Opfer fielen. Nach akribischer Suche fand der holländische Mikrobiologe Paul Verweij heraus, dass der Übeltäter sich direkt vor dem Klinikeingang verbarg – und zwar in den Blumenbeeten.

Die hier verwendeten Blumenzwiebeln wurden mit einem speziellen Fungizid behandelt, das den Ernteertrag steigert. Als nicht beabsichtigte Nebenwirkung entstanden auf diese Weise aber auch resistente Schimmelpilze. Mit den exportierten Blumenzwiebeln verbreiten diese sich überallhin aus. Onkologen befürchten, dass Antibiotika-Resistenzen in den nächsten fünf Jahren eines der größten Risiken für Krebspatienten sind.

„Stille Pandemie“ ist nicht der erste Film über diesen Komplex. Michael Wech selbst hat dieses dringliche Problem schon vor drei Jahren aufgegriffen. Sein filmisches Update eröffnet eine neue Perspektive. Der Film lässt erahnen, dass Antibiotika-Resistenzen auf absehbare Zeit das globale Gesundheitssystem in bedrohliche Schieflage bringen. Resistente Keime sind nämlich längst schon Teil des Systems.

Manfred Riepe

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