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Jonathan Littells’ schildert die Lebenserinnerungen eines fiktiven SS-Offiziers.

© © Les Films du Poisson/Les Films du Poisson

„Die Wohlgesinnten“: Ist das Holocaust-Voyeurismus?

„,Die Wohlgesinnten’ – Im Kopf eines Nazis“: Eine Arte-Dokumentation problematisiert Jonathan Littells fiktive Schilderung der NS-Vernichtungsmaschine aus der Täterperspektive.

2006 erschien der Historienroman „Die Wohlgesinnten“. Das Buch schildert die Lebenserinnerungen des fiktiven SS-Offiziers Maximilian Aue, der von Juni 1941 bis April 1945 an Massenhinrichtungen in der Ukraine, im Kaukasus und in Babi Jar teilnahm. Jonathan Littell, ein französischer Autor amerikanischer Herkunft, hat die historischen Fakten des Vormarsches der Wehrmacht in Osteuropa akribisch recherchiert. Sein Buch begibt sich in den Kopf eines Täters, der die Logistik des Völkermordes nüchtern protokolliert. Und dabei kein schlechtes Gewissen hat.

Der französische Filmautor Jean-Christophe Klotz – bekannt unter anderem durch „Nürnberg und seine Lehre. Ein Film gegen das Vergessen“ – zeichnet in seiner Dokumentation „,Die Wohlgesinnten’ – Im Kopf eines Nazis“ (Arte Mediathek) die Entstehungsgeschichte dieses preisgekrönten Werks nach.

Ich habe mich so benommen, wie er es beschreibt: Hochmütig bis dorthinaus.

Niklas Frank über die Darstellung seiner Person in Jonathan Littells Roman „Die Wohlgesinnten“

Bei seinem Erscheinen wurde das Buch einerseits sehr gelobt. Die Darstellung des Holocausts aus der subjektiven Sicht eines Mörders würde etwas leisten, was ein bloßes Geschichtsbuch nicht leisten könne. Diese Konzentration auf die Sicht eines Täters wurde aber auch vehement kritisiert: Denn ein Täter sage nie die Wahrheit. Er habe kein Interesse, historisch korrekt zu sein.

Als Kronzeuge kommt in diesem Film der Zeitzeuge Niklas Frank zu Wort, der Sohn von Hans Frank, jenem „Schlächter von Polen“, der bei den Nürnberger Prozessen als Kriegsverbrecher hingerichtet wurde. Vor der Kamera hebt er die angemessene Darstellung der Nazi-Gräueltaten in diesem Buch hervor: Trifft der umstrittene Roman also einen Nerv der Erinnerungskultur? Ist es nur ein literarischer Tabubruch? Oder Holocaust-Voyeurismus? Jean-Christophe Klotz’ Dokumentation gelingt eine sehenswerte Annäherung an diesen Zwiespalt.

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