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Zwei mit einer Vision: Urs Buess (links) und Remo Leupin bringen als Chefredakteure der Basler "TagesWoche" Print und Online auf neue Weise zusammen.

© TagesWoche

Schweizer Zeitungs-Launch: Doppelt hält besser

Eine Gruppe von Schweizer Journalisten macht das Verbinden von Print und Online zu ihrer Arbeitsgrundlage. Die Basler „TagesWoche“ erscheint sechs Mal online und am Freitag als Print-Ausgabe.

Von Maris Hubschmid

„Märchen schreibt die Zeit“, singen die Bewohner des verzauberten Schlosses im Disney-Film „Die Schöne und das Biest“. Märchen schreibt die Schweiz, zeigt ein aktueller Fall in Basel: Es war einmal eine Gruppe von Journalisten, die war unzufrieden mit ihrem Job. Die Journalisten mochten ihren Chef nicht und wollten mehr Freiheiten. Da kam eine reiche Frau und sagte: „Es soll alles passieren, wie ihr es euch wünscht. Hier habt ihr Geld, geht und macht euch eure eigene Zeitung.“

Die Zeitung, die aus diesem Märchen hervorgehen wird, ist die „TagesWoche“: Am kommenden Freitag wird sie zum ersten Mal an den Basler Kiosken liegen. Der Arbeitgeber, bei dem die Journalisten nicht mehr glücklich waren, ist die „Basler Zeitung“ („BaZ“). Das traditionell liberale Blatt war Anfang 2010 an zwei Investoren verkauft worden, von denen man vermutete, dass sie der rechts-populistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) nahestehen. Tatsächlich erhielt SVP-Kopf Christoph Blocher nach der Übernahme einen Beratervertrag vom Verlag. Wenig später wurde Markus Somm als neuer Chefredakteur verpflichtet, der bis dahin bei der streng konservativen „Weltwoche“ gearbeitet hatte. Er blieb auch, als die „BaZ“ abermals verkauft wurde, an den umstrittenen Luftfahrt-Unternehmer Moritz Suter.

Starthilfe von der Milliarden-Erbin

Als erste Leser sich mit wütenden Transparenten gegen die neuen Einflüsse auf ihre einzige Lokalzeitung vor dem Verlagshaus versammelten, zogen auch die Mitarbeiter Konsequenzen. „Ein Drittel der damaligen Redakteure hat die ,BaZ’ inzwischen verlassen“, sagt Urs Buess, der damals bei der „BaZ“ stellvertretender Chefredakteur war. Jetzt ist der 59-Jährige gemeinsam mit dem 47-jährigen Remo Leupin Chefs der neuen „TagesWoche“. Deren Mäzenin ist Beatrice Oeri, Erbin des Pharma-Konzerns Roche. Keiner der 18 Mann starken Redaktion empfinde es als unangenehm, von einer Stiftung abhängig zu sein, sagt Buess. „Frau Oeri möchte nicht mitreden. Wir fühlen uns unabhängiger als früher. Und sind stolz, an einem so pionierhaften Projekt mitwirken zu können.“

Die „TagesWoche“ wird einmal in der Woche erscheinen, positioniert sich aber nicht wie die übrigen Wochenzeitungen als überregionales Blatt, sondern als Regionalzeitung. Und will trotz nur einer Ausgabe Tageszeitung sein: An den übrigen sechs Tagen findet sie online statt, als „Online-Edition“. „Noch vor jeder Werbekampagne konnten wir 3000 Abo-Bestellungen entgegennehmen“, sagt Buess.

Ein Modell für den deutschen Markt?

Einen ähnlichen Ansatz gibt es in Deutschland bereits: Im April 2010 brachte der Journalist Josef-Otto Freudenreich, zuvor Chef-Reporter der „Stuttgarter Zeitung“, ebenfalls aus Frust über „Filz in der Medienlandschaft“ die kritische Online-Zeitung „Kontext“ an den Start. Einmal wöchentlich liegt ein Druck der „Tageszeitung“ bei. Unterstützt wird das Projekt unter anderem vom ehemaligen Daimler-Benz-Vorsitzenden Edzard Reuter. Allerdings ist „Kontext“ auch online eine Wochenzeitung – und ein Nischen-Produkt geblieben.

Auch Buess geht nicht so weit, die „TagesWoche“ als Kampfansage an die „BaZ“ zu begreifen: „Das wäre David gegen Goliath.“ Sicher werde die „TagesWoche“ von einer anderen Weltanschauung geprägt sein. „Aber auf eine Links-Rechts-Polarisierung möchten wir nicht reduziert werden.“ Buess betont: „Wir werden nicht aus einer Gegenhaltung heraus aktiv, sondern aus einer Aufbruchstimmung." Die Zeit verlange eben nicht nur nach neuen Inhalten. Sondern auch nach einer neuen Form.

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