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Bereit zum Piks. „Hirschhausen als Impfproband“ heißt die Reportage um 20 Uhr 30 im Ersten im Anschluss an ein „ARD-extra“ zur Corona-Lage. Das Thema wird um 21 Uhr 15 bei „Hart aber fair“ weiter vertieft. Auch daran nimmt Eckart von Hirschhausen teil.

© WDR/Ben Knabe

Eckart von Hirschhausen im Impf-Interview: „Verstehe, dass Menschen Angst haben“

Arzt und Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen spricht über die Argumente von Impfgegnern und, ob es gerecht ist, wenn Geimpfte Vorteile erfahren.

Herr von Hirschhausen, haben Sie sich bereits gegen das Corona-Virus impfen lassen?
Das weiß ich nicht, weil ich Proband einer klinischen Impfstudie an der Uniklinik Köln bin und dafür alle Schritte durchlaufe: Aufklärungsgespräche, körperliche Untersuchungen, Bluttests, die beiden Impfungen selbst, Nachbeobachtung vor Ort, schriftliche Symptomprotokolle und als App, damit alle Nebenwirkungen erfasst werden und und und. Die Hälfte der Teilnehmer erhalten Placebo, wie sich das für eine ordentliche Studie gehört. Und in welcher Gruppe ich bin, erfahre ich erst im Sommer.

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Sie werden dabei von einem Drehteam des WDR für die ARD-Sendung „Hirschhausen als Impfproband“ begleitet. Was unterscheidet diesen Beitrag ernsthaft von einer Werbesendung des Bundesgesundheitsministeriums für das Impfen?
Ernsthaft? Der Auftraggeber, der Sendeplatz und mein Beruf. Ich bin Arzt und Wissenschaftsjournalist und bekomme dafür weder von der Regierung noch von den Impfstoff-Herstellern Geld. Die Aufwandsentschädigung von 100 Euro pro Impftermin spende ich an Ärzte ohne Grenzen, die ich seit 20 Jahren schon unterstütze.

Auch mit dem Thema Impfen generell beschäftige ich mich schon länger als diese Regierung. Ich bin kein Schauspieler, der eine Rolle spielt, oder einen Werbetext vorträgt. Ich habe die letzten Wochen nicht viel anderes gemacht, als mich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen, spannende Menschen zu befragen, einzutauchen in die Welt der Wissenschaft und eine eigene Haltung zu entwickeln.

Dabei war ich extrem frei, was man der Reportage auch anmerkt. Es gab keinen „Text“ – alles, was ich in dem Film sage, habe ich selber in dem Moment gedacht, gefragt, gesagt und erlebt. So war das übrigens auch bei der Dokumentation „Hirschhausen auf Intensiv“ in der ersten Corona-Welle.

["Hirschhausen als Impfproband", ARD, 20 Uhr 30; um 21 Uhr 15 "Hart aber fair: Scheitert Deutschland am Impfen?"]

Welche Argumente der Impfgegner lassen Sie gelten?
Ich kann verstehen, dass Impfen ein sehr sensibles Thema ist. Viele Menschen mögen keine Spritzen. Da hatte es die Schluckimpfung auf einem Zuckerwürfel einfacher. Viele haben Angst, dass die Spritze ihre körperliche Integrität verletzt. Es geht uns buchstäblich etwas unter die Haut. Wir vergessen dabei aber, dass jeder Atemzug unsere körperliche Integrität verletzt. Wir atmen ständig Feinstaub, Krankheitserreger und jede Menge fremder Erbinformationen ein. Jedes Stück Fleisch und jedes Stück Gemüse enthält jede Menge DNA.

Für unserem Immunsystem ist es relativ egal, auf welchem Weg ein Erreger oder der Bauplan für einen Teil des Erregers – und genau das ist ja die Impfung – in Kontakt mit uns kommt. Für den Lymphknoten, in dem das Abwehrsystem Ihre Zellen trainiert, ist es unerheblich, ob etwas im Blut über die Lunge oder über den Oberarmmuskel angeliefert wurde. Deshalb macht die Impfung im Kern aus einem zufälligen Vorgang, dass jemand mir seine Aerosole zuhustet, einen gezielten, planbaren und sicheren Vorgang. Ich weiß, was mir lieber ist! Aber ich verstehe auch, dass Menschen Angst haben, wenn ihnen das so noch niemand erklärt hat.

Welche Argumente lassen Sie nicht gelten?
Jeder sollte einmal darüber nachdenken, welche Auswirkungen und massiv größere Schäden durch die echte Infektion verursacht wird. Jeden Tag sterben Menschen, oft über 1000, das kann einen doch nicht kalt lassen.

Viele haben nach einer Infektion Spätschäden mit Verlust des Geschmacksinns, neurologischen Schäden bis zu anhaltender Mattigkeit – das will keiner. Um eine gute Entscheidung für sich zu treffen, müssen wir uns drei Fragen stellen: Was ist der Nutzen, was ist der Schaden, und was passiert, wenn ich abwarte und erstmal nichts tue?

Der Nutzen der Impfung ist glasklar belegt, ein extrem hoher Schutz vor schweren Verläufen von Covid19, sogar höher als bei anderen Impfungen. Der „Schaden“ der Impfung ist auch ziemlich klar: zwei Tage Unwohlsein mit Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl, Unwohlsein, so wie bei jedem anderen Infekt auch.

Und wenn ich nichts tue, riskiere ich die Erkrankung plus die Tatsache, dass ich bevor ich selber um meine Virenlast weiß, schon längst andere angesteckt habe, womöglich sogar meine Allerliebsten. Da habe ich lieber zweimal einen kleinen Pieks, bin keine Gefahr mehr für andere und fühle mich solidarisch und sicher.

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Ist es gerechtfertigt, wenn Geimpfte gegenüber Impfverweigerern Vorteile im öffentlichen Leben eingeräumt bekommen?
Andersherum gefragt: Ist es gerecht, Menschen ohne gute Gründe Freiheiten vorzuenthalten?

Wie sieht eine gelungene Impfkommunikation aus? Oder was kann die Politik noch besser machen?
Menschen brauchen eine Entscheidungshilfe, bei der nüchtern die Zahlen nebeneinandergestellt werden und jeder sich seine Meinung bilden kann, sowas wie der Wahl-O-Mat nur fürs Impfen. Es fehlt an guten Videos, die Falschinformationen geraderücken und die Fragen aufnehmen, die Menschen haben, aber nicht in langen Bleiwüsten und unübersichtlichen Listen, sondern zeitgemäß mit Grafiken, Animationen, bekannten und vertrauenswürdigen Erklärern aus Medizin und Pflege.

Vor allem gibt es eine Verantwortungsdiffusion, wer dafür zuständig ist. Ich vermisse auch eine fachgruppenspezifische Ansprache der Pflegefachkräfte. Warum gibt es für diese größte Gruppe im Gesundheitswesen keinen Podcast, bei dem man sich unkompliziert aufschlauen kann?

Der Impfstart läuft in Deutschland nur schleppend voran. Am Montag kommen deshalb Bund und Länder zu einem Impf-Gipfel zusammen.

© Guido Kirchner/dpa

Und was überzeugt Sie an der laufenden Impfkampagne?
Zum Glück war ich schon vorher überzeugt.

Wann rechnen Sie damit, dass Deutschland in die Nach-Corona-Phase kommt?
Das kann ich leider nicht beantworten. Ebenso wenig wie die Frage, ob nach Corona nicht eine neue Pandemie könnten. Deshalb hoffe ich, dass wir wenigstens das aus dieser Zeit gelernt haben: wir müssen Gesundheit global denken. Ein Virus fragt nicht nach einem Visum, um Ländergrenzen zu überspringen. So wenig wie ein C02-Molekül in der Atmosphäre fragt, aus welchem Land es kam.

Die drei großen globalen Krisen hängen sehr eng miteinander zusammen: die Pandemie ist die Folge der Zerstörung der natürlichen Lebensräume der Wildtiere. Acht Millionen Menschen jedes Jahr sterben an Luftverschmutzung, und eine Lunge, die Dreck einatmen muss, ist auch viel anfälliger für Corona. Klimaschutz und Tierschutz ist auch Gesundheitsschutz, wenn wir das aus dem letzten Jahr gelernt haben, war es wenigstens zu etwas gut. Der Kerngedanke nennt sich international „one health“ oder auf Deutsch: Gesunde Erde – Gesunde Menschen.

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