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Kultivierte Gespräche zwischen Gelehrten für ein anderes Frauenbild.

© Arte

Arte-Doku: Feministinnen avant la lettre

Eine Arte-Doku über Aristokratinnen des 17. Jahrhunderts, die Emanzipation salonfähig machten.

Die Mitgliedschaft in der Académie française gilt seit dreieinhalb Jahrhunderten als Krönung der Karriere eines Intellektuellen. Am 22. Januar 1981 wurde mit Marguerite Yourcenar erstmals eine Frau in die Reihen der sogenannten „Unsterblichen“ aufgenommen. Das Fernsehen berichtete in Anwesenheit des Staatspräsidenten Jacques Chirac.

Yourcenar, die mit „Ich zähmte die Wölfin“ einen Bestseller publiziert hatte, erklärte: „Hinter mir steht eine unsichtbare Gruppe von Frauen, der diese Ehre schon viel früher hätte zuteil werden sollen“. Diese Frauen sind heute weniger bekannt. In ihrer Dokumentation erzählt die TV-Journalistin Carole Wrona ihre Geschichte.

Vorreiterin im Kampf um die intellektuelle Unabhängigkeit der Frau war Catherine de Rambouillet. Im 17. Jahrhundert galt sie als Erfinderin des literarischen Salons. Diese institutionalisierte Begegnungsstätte zwischen Männern und Frauen ebnete den Weg für eine andere Auffassung von Weiblichkeit.

Bis dahin waren Frauen erzogen worden, um eine gute Partie abzugeben. Ihre Bildung betonte den Status des Gatten. Sie durften weder Karriere machen noch reisen. Die Dokumentation zeichnet nach, wie einige Frauen diese Verbote umgingen. Sie holten die Welt zu sich nach Hause. („Die Erfinderinnen des Salons. Ursprünge der Frauenemanzipation“, Arte Mediathek)

Von den Speichelleckereien am Königshof gelangweilt, träumt die feinsinnige Marquise von einem kultivierten Miteinander. Dazu öffnet sie ihr Haus – das schlossartige Hotel de Rambouillet, das sie selbst entworfen hatte – für Gäste beiderlei Geschlechts. Feministische Radikalforderungen wurden hier kaum artikuliert. Es ging zunächst einmal darum, im geistreichen Gespräch gegenseitige Wertschätzung lernen.

Zaghafte Bestrebungen der Gleichstellung der Geschlechter

Diesen Wandel brachte die Schriftstellerin Madeleine de Scudéry humorvoll zum Ausdruck. Mit ihrer berühmten „Carte du Tendre“ entwarf sie eine einflussreiche, neue Landkarte der Empfindsamkeit. In dieser humorvoll präsentierten Gefühlsgeographie werden das Persönliche und das Emotionale tatsächlich politisch.

Der Film porträtiert weitere Feministinnen avant la lettre, die „ein neues Verhältnis zwischen Männern und Frauen“ etablierten. Dank ihnen wurde die Idee der Gleichberechtigung buchstäblich „salonfähig“.

So stellte der Mathematiker Nicolas de Condorcet 1790 die Frage: „Warum sollte einer Klasse von Menschen, weil sie schwanger werden und sich vorübergehend nicht wohl fühlen, nicht die gleichen Rechte ausüben, die man denjenigen niemals verweigern würde, die jeden Winter an Gicht leiden?“

Der französische Aristokrat und Aufklärer entwickelte diese neue Perspektive in den Salons von Anne-Thérèse de Lambert, Marie-Thérèse Geoffrin, Marie du Deffand und Sophie de Grouchy. Sie förderten kultivierte Gespräche zwischen Philosophen, Gelehrten, Schriftstellern und Malern und öffneten so ein Fenster für ein anderes Frauenbild. Diese Gedanken wurden nicht doktrinär von oben herab verordnet.

So verwundert es nicht, dass diese zaghaften Bestrebungen der Gleichstellung der Geschlechter mit der Französischen Revolution jäh beendet wurden. Freiheit und Gleichheit? Die galten nur für männliche Mitglieder der Gesellschaft.  Illustriert mit einer Fülle französischer Stummfilme, zeichnet Carole Wrona eine schillernde Kulturgeschichte des Salons.

Manfred Riepe

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