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Die Paartherapie von Scott (Brendan Gleeson) und Ellen (Patricia Clarkson, links) bringt einiges in Bewegung, die Eheprobleme löst sie nicht.

© ARD Degeto/Sundance TV

Fortsetzung von „State of the Union“: Sehnsucht nach Sinn und Sofa

In der zweiten Staffel der britischen Beziehungskomödie von Kultautor Nick Hornby heißt es: Scheiden tut weh.

Was will denn der hier im Hipster-Café „Mundgefühl“? Dort gibt es hundert verschiedene Sorten des braunen Gesöffs, unter anderem „Kopilua“, aus Bohnen, die Katzen ausgeschissen haben. Scott, der Alte mit der Tolle (Brendan Gleeson), will einfach nur einen Kaffee mit Milch. Er pflanzt sich vor der Barfrau Jay (Esco Jouley) auf.

Gleich wird es ernst: Kulturkampf zwischen Best-Ager (Euphemismus für einen alten Sack) und der Barista. Jay fühlt sich weder als Frau noch als Mann. Die Lage ist gespannt. Wenn dann Ellen (Patricia Clarkson), trotz räumlicher Trennung noch immer mit Scott verheiratet, nicht zur Ehepaartherapie das Café betreten hätte, aus Mundgefühl wäre Zahnverlust geworden.

Ellen und Scott haben vor der Therapiestunde ein Zehnminutentreffen im Café. Die zweite Staffel von „State of the Union“ ist in der ARD-Mediathek zu sehen. Serienschöpfer Nick Hornby und Stephen Frears als Regisseur haben ein hochintelligentes und hochmelancholisches Stückelfernsehen produziert: Alle zehn Folgen sind nur zehn Minuten lang, aber dicht und hinter rhetorischer Eleganz und Komik aus reinstem Mythengewebe.

[„State of the Union“, ARD-Mediathek]

Zu sehen sind zwei Menschen auf Odysseustour (Mundgefühl-passender formuliert: auf Odysseus- und Odysseusinnentour). Die ganze Tragik: Er brach zu früh auf, sie zu spät. Er lebte die erste Zeit der Beziehung mit Ellen, als die Kinder kamen, gepanzert in Selbstgefälligkeit. Schaffte als Manager Geld heran. Walzte mit seinem Interesse für Golf und amerikanische Geschichte alles nieder, was seine Frau sonst noch interessierte. Penelope-Ellen ließ alle aus dem TV zusammengeklaubten Trojafahrten über sich ergehen, wohnte brav auf realen Europareisen den Heldengedenkstättenbesichtigungen bei und schwieg, wenn der Mann seinen Halbgott Churchill anbetete.

Eines Tages aber aber packte Ellen das Fernweh. Er merkte es natürlich nicht. Es war der Moment, als sich der Sofaheld weigerte, mit Ellen den Kinofilm „Die Frau des Nobelpreisträgers“ zu besuchen. Seine – nur aus dem Titel begründete – Ablehnung zeigte Ellen den ganzen unverbesserlichen Macho an ihrer Sofaseite. Die Unterdrückung, die ein Literaturstar seiner Ehefrau angedeihen lässt, wollte Scott partout nicht sehen. Ellen schwieg, aber ihre Geduld war am Ende. Ein aufgedecktes, letztlich für Scott unbefriedigendes Circe-Erlebnis in der New Yorker Wohnung des Paares mit Frauen ohne Tiefe gab Ellen die Chance zur Trennung. Wenn die neue Folge einsetzt, strebt Scott zurück nach Ithaka, wo Ellen alles umkrempelt. Die bei Homer frechen Freier sind für Ellen Helfer zur Befreiung von Scott geworden, der immer noch an die Verhinderung der Scheidung und an die Rückkehr auf den Sofahochsitz glaubt. Da gibt es jetzt hippe Außenseiter und sinnsuchende Esoteriker und keine Bestimmertypen von gestern.

Vom Klotz zum Kumpel

Aber die Verteidigung weiblicher Unabhängigkeit ist nicht leicht. Ellen ist kein Unmensch, die Therapie zäh. Aber allmählich: Seine Toleranz für feministische Sprachdrechselei und hippe Hypes wächst. Der Klotz wird zum Kumpel und ja, wir bekommen Mitleid für einen Pantoffel-Odysseus, der den Anschluss verpasst hat. Verzweiflung zwischen den geschliffenen Dialogzeilen zu zeigen, gelingt Brendan Gleeson ebenso wie Patricia Clarkson. Wenn Ellens Entschlossenheit zur Scheidung wankt – das geschieht immer wieder –, zeigt Clarkson ihre Kunst, über dem Film zu stehen. Scott kann sie ihre Trauer, manchmal auch Eifersucht, verheimlichen, aber nicht dem Publikum.

Das Wunderbarste in diesem Trennungsstück ist der Abschied von der Sexualität. Trotz Untreue und Untreueverdächtigung zeigt die Eheauflösung, dass die sich endgültig Scheidenden etwas Wunderbares besessen haben. Etwas, das Kant schnöde, heftig kritisiert, aber zutreffend in seiner Definition der Ehe als „Vertrag über den wechselseitigen Gebrauch von Vermögen und Geschlechtswerkzeugen“ beschrieben hatte.

Ehe, sollte das heißen, und die Sexualität in ihr, unterliegt keinem Zweck von außen, sei es einer Fortpflanzungspflicht oder dynastischen Zwängen. Sexualität ist Eigentum nur der Eheleute. Ellen und Scott wissen das.

Sie schlafen miteinander. Sie erkennen aber, dass die Ehe so allein nicht gerettet wird.

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