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Sieben Millionen Zuschauer sahen die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten im Fernsehen. Wegen der Kreditaffäre hörten vor allem die Medien ganz genau hin.

© dpa

Skeptisches Fernsehvolk: Früher war mehr Lametta

Von neun auf sieben Millionen Zuschauer: Bundespräsident Christian Wulff verliert mit seiner Weihnachtsansprache Quote.

Einschaltquoten sagen rein gar nichts über die Qualität eines Fernsehprogramms aus. Sehr wohl aber über das Interesse und die Erwartungshaltung an eine Sendung. Da könnte Christian Wulff ins Grübeln kommen. Seine „Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten“ war beileibe kein Quotendesaster, ein Quotenkracher waren die knapp sechs Minuten am ersten Weihnachtstag auch nicht. Traditionell ist die – aufgezeichnete – Rede des Präsidenten hervorragend in den öffentlich-rechtlichen Programmen platziert. Im Zweiten also sprach Christian Wulff im Anschluss an „heute“ um 19 Uhr 10 vor 2,48 Millionen Zuschauern und in der ARD nach der „Tagesschau“ um 20 Uhr 10 vor 4,46 Millionen. Damit war Wulff schwächer als im Vorjahr, als er in der ARD 6,49 Millionen Zuschauer erreichte und im ZDF 2,77 Millionen: 2010 waren das insgesamt mehr als neun Millionen, dieses Jahr knapp sieben Millionen Zuschauer.

Schaut man sich die Quoten der Nachrichten vor und die Quoten der Sendungen nach der Wulff-Ansprache an, dann wird schon deutlich, dass ein Teil des Fernsehvolks dem Bundespräsidenten den Rücken zugekehrt hat. Die „Tagesschau“ hatte 5,40 Millionen Zuschauer, „Die Helene Fischer Show“ 5,05 Millionen, dazwischen lag der Wulff-Auftritt mit 4,46 Millionen. Sollte der Präsident gehofft haben, er könne mit seinem am Donnerstag vorgeschalteten Erklärstück – „Ich bereue und vergebe mir zugleich meine Sünden“ – die Fragezeichen um Kredite und andere Gefälligkeiten von Freundes Seite aus der Welt schaffen, dann hat er geirrt. Wie jüngste Umfragen zeigen, hat noch die Hälfte der Bevölkerung Vertrauen in diesen Bundespräsidenten. Ob dann nicht mancher die sechs Minuten Weihnachtsansprache genutzt hat, um Unaufschiebbares zu erledigen?

Christian Wulff pflegt 2011 wie schon 2010 die Inszenierung vom „Bürgerfreund“. Er sitzt nicht mehr steif hinterm Schreibtisch, nein, er steht flankiert von mehreren Dutzend handverlesenen, verdienten Bürgerinnen und Bürgern vor Fahne und Weihnachtsbaum im Schloss Bellevue. Zu seinen Füßen sitzen Kinder, die sich wahrscheinlich fragen, wovon der nette Onkel mit der Kermit-Stimme eigentlich mit unterstreichenden Handbewegungen so spricht. Das ist eine prima Frage, denn auch Erwachsene können – wie eine nichtrepräsentative Umfrage im Kollegenkreis ergeben hat – das Narrativ des Staatsoberhauptes nur lückenhaft repetieren. In aller Kürze: Wulff möchte, dass wir uns alle zusammen für ein gemeinsames Europa und gegen jeden Extremismus engagieren, für die Verteidigung der Demokratie und für eine offene Gesellschaft eintreten. „Gut, dass wir alle verschieden sind“, sagt er mit Blick auch auf seine Schlossgäste, die Deutschland als eine Regenbogenrepublik repräsentieren sollen. Zwischendurch Kinderkreischen, der Präsident schwankt mehr als die Fernsehkameras schwenken, dann ist Schluss – und die Vorfreude auf die Neujahransprache der Kanzlerin geweckt.

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