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Hilbig im Filmporträt: Lebensbelästigt

Der Sender verspricht eine "Annäherung an einen Unnahbaren": Und tatsächlich ist das 3-Sat-Filmporträt von Wolfgang Hilbig gelungen.

Natascha Wodin fand die Idee mit dem runden Wolfgang-Hilbig-Tisch vermutlich nicht so gut. Anders als Freunde und Weggefährten, die sich für Siegfried Ressels Filmporträt „Hilbig. Eine Erinnerung“ in der leeren Schalterhalle des Bahnhofs Meuselwitz in Thüringen getroffen haben, sitzt Wodin in ihrer Wohnung und erinnert sich an Hilbig. Sie war seit 1986 mit dem 1941 in Meuselwitz geborenen und 2007 verstorbenen Schriftsteller liiert, von 1994 bis 2002 verheiratet. Bei ihr bekommt man am ehesten den Eindruck der „Annäherung an einen Unnahbaren“, wie der Untertitel des Films verspricht. Wodin spricht von ihrer ersten Begegnung, von ihrer Zeit in Edenkoben, dem Umzug nach Berlin, wo er sie in seine „große Ostfamilie“ einführen wollte: „Das ist schiefgegangen, er war ja auch im Osten ein Fremder“. Und: „Er wollte gar nicht leben, er wollte nur schreiben. Das Leben hat ihn belästigt.“

Schreiben tat Hilbig, seit Mitte der sechziger Jahre, da arbeitete er als Heizer. Nachdem Karl Corino 1978 seine Gedichte im Radio vorgestellt hatte, wurde der S. Fischer Verlag auf Hilbig aufmerksam. Er, der in der DDR nicht gedruckt wurde, reüssierte im Westen, wo er nach dem Erhalt des Gebrüder-Grimm-Preises 1983 blieb. Leichter wurde es nicht. Sein Alkoholismus, der Verlust des „Provisoriums“, der DDR, das Fremdeln im Westen – all das ging Hilbig hart an, wie Ressels Gesprächspartner bestätigen.

Nachdrücklicher noch sind die Passagen aus den Büchern, die Corinna Harfouch aufs Intensivste vorträgt. Sie dokumentieren schön, wieviel in Hilbigs Schreiben steckt, wie schwer er sich mit dem Leben tat. Dazu passt, dass Hilbig selbst außer bei seiner mit dem Bachmannpreis ausgezeichneten Lesung in Klagenfurt 1989 nicht zu Wort kommt. Hilbig sei ein Autor für literarische Kenner gewesen, ein Star im Literaturbetrieb, so Uwe Wittstock, seinerzeit Lektor bei S. Fischer, aber ohne große Auflagen. Dieses insgesamt gelungene Filmporträt wird daran leider wenig ändern. Gerrit Bartels

„Hilbig. Eine Erinnerung“, 22 Uhr 45,

3sat

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