zum Hauptinhalt
Linda Joe Fuhrich, Jennifer Sieglar, Tim Schreder

© ZDF und Kristina Schäfer

Interview mit "logo!"-Moderator Tim Schreder: „Warum hört uns keiner zu?“

Warum interessiert sich keiner für unsere Themen? „logo!“-Moderator Tim Schreder über Rezo, 30 Jahre Kindernachrichten und die Zeit danach.

Herr Schreder, mit „logo!“ erklären Sie Kindern und Jugendlichen seit Jahren die Welt. Sie sind selber Youtuber mit eigenem Portal. Nun gibt es diesen Rezo, der mit seinem Video Druck auf CDU & SPD ausübt. Was halten Sie davon?

Das Allerwichtigste für mich: Dieses Video ist ja nur ein absolutes Symptom. Mit der Diskussion um Artikel 13 fing es an. Ich bekomme seit Jahren Nachrichten von Kindern, die schreiben: Warum hört uns keiner zu? Warum interessiert sich keiner für unsere Themen? Warum machen die Politik für Alte? Jetzt hat halt mal einer aus der Youtube-Szene auf den Tisch gehauen und gesagt, was ganz viele schon ganz lange denken. Das Rezo-Video hat mich nicht überrascht.

Das nimmt Rezo ein bisschen die Luft raus.
Dieses Video hat ja nicht mehr Aufrufe als ein guter Kommentar im „heute-journal“. Da würde auch niemand darüber diskutieren, ob dieser Kommentar das Wahlergebnis verändert hat. Aber die ganze Hysterie, die jetzt entstanden ist, spricht für ein Unverständnis der etablierten Parteien und Medien.

Es sagt mehr über uns aus als über Rezo?
Viele Jugendliche schreiben mir: Ja, natürlich verkürzt Rezo viele Sachen. Das ist ja auch kein Journalist, der sagt seine Meinung. Das Video zeigt einfach, wie gespalten Jung und Alt in dieser Zeit sind. Und es zeigt, wie schwer es leise Stimmen haben. Wenn es irgendwann nur noch Rezos gibt auf dieser Welt, die nicht mehr neutral berichten, sondern nur noch ihre Meinung kundtun, dann wird es schwierig, aus Kindern mündige Bürger zu machen, die sich ihre eigene Meinung bilden. In dem Zusammenhang lobe ich mir natürlich unsere Kindernachrichten „logo!“.

„logo!“ gibt es seit 30 Jahren, Sie sind seit 2011 dabei, haben das Sachbuch „Ich versteh die Welt nicht mehr“ geschrieben. Wird es schwieriger, Kindern die Welt zu erklären, bei all den Themen Migration, Klimawandel, Rechtspopulismus, Brexit?
Die Probleme sind näher gekommen. Als ich damals bei „logo!“ angefangen habe, stand der Krieg in Syrien im Vordergrund, auch Terroranschläge. Das war alles schon auch weit weg. Die bestimmenden Themen jetzt sind Klimawandel oder auch Migration, die Flüchtlingsbewegung. Das geht Kinder direkter etwas an. Andererseits ist es für Kinder gar nicht so viel komplizierter geworden. Es ist für sie total intuitiv und logisch, dass man was für den Klimaschutz tun muss. Kinder verstehen auch überhaupt nicht, warum man Flüchtlinge nicht aufnehmen oder helfen sollte.

Reichen zehn Minuten „logo!“ vor acht aus, um das alles rüberzubringen?
Ja und nein. Auch in 15 Minuten kriegt man die Welt nicht erklärt. Außerdem sagen uns Medienforscher, wie lange Kinder in der Zielgruppe bereit sind, aufmerksam etwas zu verfolgen. Und dann haben wir ja auch noch Ausspielformen zur Vertiefung im Internet, den Sozialen Netzwerken.

Ihr Lieblingseinsatz seit 2011?
Absolutes Highlight war unser Dreh in Tschernobyl 2017, mit dem Kameramann in der Sperrzone und der Geisterstadt, ich als Reporter mit dem Geigerzähler in der Hand. Alles, um den Kindern das Thema Atomkraft näher zu bringen,

Ihre größte Panne bei „logo!“?

Der Tag vor drei, vier Jahren, als in unserem virtuellen Studio gar nichts ging. Die Sendung musste abgebrochen werden.

Jetzt sind Sie raus aus dem Studio, drei Wochen auf „logo!“-Deutschland-Tour. Sie besuchen ihr Publikum. Kinder sollten vorher Themen und Fragen stellen. Ist das politische Interesse von Kindern tatsächlich so groß? Stichwort Fridays for Future..
Wir wollten ja wissen, was es für Themen abseits des Nachrichtenjournalismus gibt, die die Kinder im Alltag beschäftigen. Klar, das Ergebnis war ein Stück weit erwartbar: Umwelt, Klima. Es ist irre, was die Kinder da auch selber machen. Zweites ganz großes Thema: Schulen. Es ist erschreckend, wie verheerend die Zustände an manchen Schulen sind. Da passiert nichts. So eine Tour ist die Chance für Kinder, Druck zu machen.

Und die Teenager? Ab einem gewissen Alter schwindet das Interesse an „logo!“
Da sprechen Sie einen wunden Punkt an. Bis zu den Zwölfjährigen erreichen wir im Fernsehen sehr viele. Danach wird es dünn. Ich finde es schade, dass es kein „logo!“ für Zwölf- bis 25-Jährige gibt. Die lassen wir in der Welt der Rezos komplett alleine. Vielleicht gibt es ja Überlegungen für das öffentlich-rechtliche Funk-Angebot. Da müsste viel mehr passieren.

Das Gespräch führte Markus Ehrenberg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false