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Professor Brenner statt Professor Brinkmann: Um Organhandel und Ärztepfusch dreht sich Rademachers neuer Film "Engel der Gerechtigkeit" mit Robert Atzorn.

© ZDF

Interview mit TV-Produzent Wolfgang Rademann: „Krankheiten sind das Urthema der Menschheit“

In der "Schwarzwaldklinik" bediente er das Klischee vom Halbgott in Weiß, jetzt widmet sich Produzent Wolfgang Rademann dem Gegensatz. Ein Gespräch über Ärztepfusch, das „Traumschiff“ und warum er sich seine Zeitungen sogar bis ans andere Ende der Welt bringen lässt.

Herr Rademann, Sie haben ja eine ganz schön große Plastiktüte dabei. Was ist denn da drin?

Da sind meine Mappen drin. Zwei Jahre lang habe ich zum Thema Ärztepfusch recherchiert und alle Artikel dazu ausgeschnitten und gesammelt. Ich bin da wie ein Trüffelschwein. Wenn ich ein gutes Thema finde, lasse ich das nicht mehr los.

Früher haben Sie in der „Schwarzwaldklinik“ lieber vom Halbgott in Weiß erzählt. Wie kommt’s, dass Sie sich jetzt in „Engel der Gerechtigkeit“ mit Kunstfehlern und falschen Diagnosen beschäftigen?

Götter in Weiß gibt es nicht. Es sterben mehr Menschen durch Arztfehler als im Straßenverkehr. Das ist doch ein Skandal. Allerdings wusste ich lange nicht, wie ich das Thema umsetzen soll. Dann habe ich hier in Berlin eine Ärztin und Anwältin kennengelernt, die auf Arzthaftungsrecht spezialisiert ist. Da hatte ich meine Geschichte.

Und nun haben Sie selbst Angst vorm Arztbesuch?

Ne, überhaupt nicht. Aber unser Kameramann war neulich im Krankenhaus, um sein Knie operieren zu lassen. Die Schwestern haben ihn noch auf dem Weg zum Saal auf seine Niere angesprochen, die operiert werden sollte. Da hat er sich vorsichtshalber mit dem Filzstift einen langen Pfeil über den Körper bis zum Knie gezogen. Echt wahr.

Zuschauer sind von Krankenhausthemen begeistert, „In aller Freundschaft“ im Ersten ist die erfolgreichste Serie im deutschen Fernsehen. Warum fasziniert das Thema?

Ist doch klar. Krankheiten sind das Urthema der Menschen. Wie Liebe. Jeder wird mal krank, jeder muss mal zum Arzt. Deshalb berühren solche Geschichten die Zuschauer immer besonders stark.

Wollen Sie mit Ihren Filmen auch versuchen, über Ärztepfusch aufzuklären?

Ein fiktionaler Film hat noch nie etwas bewirkt. Da können sie machen, was sie wollen. Wenn die Leute das sehen, finden sie das für den Moment vielleicht alles ganz schrecklich. Aber mit dem Nachspann ist das schon wieder vergessen. Für mich ist Unterhaltung immer das Wichtigste. Wenn von 80 Millionen Menschen vier oder fünf Millionen einschalten, bin ich froh.

Mister "Traumschiff": TV-Produzent Wolfgang Rademann ärgert sich über die Konkurrenz in der ARD.
Mister "Traumschiff": TV-Produzent Wolfgang Rademann ärgert sich über die Konkurrenz in der ARD.

© dpa

Könnte schwierig werden am Sonntag. Mit dem „Tatort“ und Wotan Wilke Möhring als Kommissar haben Sie große Konkurrenz.

Ja, das wird schwer. Sonntagabend ist „Tatort“-Time. Mir wäre ein anderer Sendeplatz auch lieber gewesen. Aber der Programmkrieg zwischen ARD und ZDF ist in vollem Gange. Dem falle ich auch zum Opfer am zweiten Weihnachtstag und an Neujahr, wenn das „Traumschiff“ gegen den „Tatort“ läuft. Kannste nichts machen. Aber mit großen Namen die Zuschauer zu begeistern, wird im Fernsehen ohnehin immer schwieriger.

Wie meinen Sie das?

Ich stelle fest, dass die Superstars im Fernsehen nicht mehr auf ein so großes Interesse beim Publikum wie früher stoßen. Ich will jetzt keine Namen nennen, aber die üblichen Zugpferde sind inzwischen keine Garantie mehr für eine gute Einschaltquote.

Viele Schauspieler beschweren sich derzeit allerdings, dass nur die großen Namen besetzt werden und es für weniger bekannte Schauspieler dagegen eher schwierig geworden ist.

Klar, einen wie Devid Striesow will jeder haben. Oder eine Martina Gedeck. Mit denen schmücken sich die Redakteure gerne, die für die Filme verantwortlich sind. Aber ob die dann auch eine gute Quote bringen, ist wieder eine ganz andere Sache.

Bekommen Sie das auch bei Ihren Filmen wie dem „Traumschiff“ zu spüren?

Ich mache da immer halbe, halbe. Ein paar unbekannte Schauspieler, ein paar Glanznamen. Gerne hätte ich einmal die Christiane Hörbiger auf dem Schiff. Und Ulrich Tukur. Kriegste aber schwer.

Wie lange kann das „Traumschiff“ in Zeiten von Billigfliegern überhaupt noch Projektionsfläche für Fernweh sein?

Ich glaube, dass das Traumschiff noch eine ganz Weile fahren wird. Mein Problem ist vielmehr, dass mir die Ziele ausgehen. Ich war schon in 72 Ländern, nächstes Jahr drehen wir in Kanada und auf Mauritius. Aber danach kann ich eigentlich nur noch auf dem Müggelsee rumschippern.

Sie werden am Sonntag 79. Wenn ich mir hier Ihre volle Themenmappe ansehe, sieht das allerdings noch längst nicht nach Ruhestand aus.

Nein, sicher nicht. Zu Hause habe ich auch noch drei oder vier Aktenordner mit spannenden Themen, die ich beim Lesen entdeckt habe. Ich bin eben eine Zeitungsfressmaschine. Neben mir im Flugzeug ist immer ein gewaltiger Berg von Papier.

Und wie kommen Sie denn auf dem „Traumschiff“ an Ihre Zeitungen?

Manchmal schenke ich Leuten sogar ein Flugticket, damit die mir meine Zeitungen zum Dreh bringen. Da wiegt die Tasche dann einen halben Zentner. Ich selbst habe für eine Tasche voller Zeitungen schon einmal 500 Euro Übergepäck bezahlt. Da hat alleine eine einzige „Bild“-Zeitung 20 Euro gekostet. Ich lese alles durch. Auch, wenn die Zeitungen schon alt sind.

Warum machen Sie es sich nicht einfacher und lesen die Zeitungen digital auf einem Tablet-Computer?

Ich habe kein iPad, ich habe überhaupt keinen Computer. Ich kann mit dem Zeug nichts anfangen. Ich liebe es, wenn die Finger von der Druckerfarbe schwarz sind. Mir macht aber Sorge, dass viele Leute heute online nur noch über die Schlagzeilen flutschen und den ganzen Artikel gar nicht mehr lesen. Damit gehen ihnen viele Information verloren. Ich selbst will jedenfalls nichts verpassen und lese weiter die gedruckte Zeitung.

Das Gespräch führte Sonja Álvarez.

Wolfgang Rademann ist Produzent, zu seinen Erfolgen gehören die „Schwarzwaldklinik“ und das „Traumschiff“. Rademann lebt in Berlin und ist mit Ruth Maria Kubitschek liiert.

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