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"taz"-Chefredakteurin Ines Pohl verteidigt die Fragen an Philipp Rösler.

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Konter aus Kreuzberg: "taz"-Chefredakteurin Pohl verteidigt Rösler-Interview

„Rassismus“ werfen nicht nur zahlreiche Leser der „taz“ nach dem umstrittenen Interview mit Philipp Rösler vor. Doch Chefredakteurin Ines Pohl verteidigt die Fragen an den Bundeswirtschaftsminister.

Es sollte ein Coup werden, eine Art Aufschrei aus Kreuzberg gegen den Autorisierungszwang von Interviews. Doch statt der verweigerten Antworten, geht es plötzlich um die gestellten Fragen – und die „tageszeitung“ („taz“) wird von der Entlarverin zur vermeintlich Entlarvten.
„Wie im ,Stürmer‘“, schimpften einige Leser im „taz“-Blog am Mittwoch über das Interview mit Philipp Rösler (FDP), das die „taz“ am Dienstag veröffentlichte. Ein Vergleich, der absolut unsachlich und fehl am Platze ist, doch der zeigt, wie aufgeheizt die Debatte ist. „Rassistisch“, nannten viele Leser auf der „taz“-Website die Fragen an den Bundeswirtschaftsminister, manche drohten mit der Kündigung ihres Abonnements. Ausgerechnet die linke Zeitung mit Sitz in der Kreuzberger Rudi-Dutschke-Straße muss sich gegen Rassismus-Vorwürfe verteidigen.

Über "Hass" wollten die Interviewerinnen sprechen

Über „Hass“ wollten die „taz“-Interviewerinnen mit Rösler sprechen. Darüber, welche Erfahrungen er damit gemacht habe, dass andere Probleme mit seinem „asiatischen Aussehen haben“, wollten sie unter anderem wissen, es ging darum, dass er häufig als „der Chinese“ bezeichnet werde, darum, wann er „bewusst wahrgenommen“ habe, dass er „anders aussehe als die meisten Kinder in Deutschland“. Doch anstelle von Röslers Antworten druckte die „taz“ am Dienstag nur Striche und Punkte, weil der Bundeswirtschaftsminister das Gespräch nicht autorisiert hatte. Einen „groben Bruch der gängigen Spielregeln“ nannte Chefredakteurin Ines Pohl die Nicht-Autorisierung. Das trotzdem gedruckte Interview sollte ein Protest dagegen sein.

"Rassistische Ressentiments" kritisiert der FDP-Sprecher

Die Interviewerinnen hätten einen „falschen Schwerpunkt“ gesetzt und einen Aspekt in den Mittelpunkt gerückt, „der im Leben Philipp Röslers keine wahrnehmbare Rolle spielt“, begründete FDP-Sprecher Peter Blechschmidt die Nicht-Freigabe. Die Fragen hätten zudem „an rassistische Ressentiments“ gerührt.

„Wir haben nach rassistischen Ressentiments gefragt, die auch innerhalb der FDP existieren. Das ist journalistisches Handwerk“, verteidigte Chefredakteurin Ines Pohl in der „taz“ am Mittwoch das Interview. Die Fragen hätten darauf abgezielt, „wie Rösler im Wahlkampf mit Rassismus umgeht – etwa mit Hassmails“, sagte Pohl. Der Vorwurf, dass in der zur Freigabe vorgelegten Form ein falscher Schwerpunkt gesetzt worden sei, treffe nicht zu. 20 Minuten sei in dem Gespräch am 20. August mit Rösler über Rassismus geredet worden, gut 25 Minuten über andere Themen. Die FDP-Pressestelle habe angeboten, dass die „taz“ ein Interview mit Fragen zur FDP-Programmatik veröffentlichen und „maximal eine Frage“ zu Rassismus veröffentlichen könne.

Schon früher druckte die "taz" Interviews ohne Antworten

„Falls es Usus wird, dass Politiker nicht nur einzelne Aussagen in Interviews abschwächen, sondern künftig bei Missfallen komplette Interviews sperren, schränkt dies die Möglichkeit eines kritischen Journalismus über die Maßen ein“, schreibt Pohl. Schon früher hat die „taz“ aus Protest Interviews ohne Antworten gedruckt, um ein Zeichen gegen die in Deutschland übliche Autorisierungspraxis zu setzen, bei der die Interviewten die Gespräche im Nachhinein manchmal komplett umschreiben. 2003 veröffentlichte die „taz“ auf ihrer Titelseite ein Interview mit dem damaligen SPD-Generalsekretär Olaf Scholz, bei dem alle Antworten des Politikers geschwärzt waren. Andere Zeitungen und Medien setzen ähnliche Zeichen. Vom Deutschen Journalisten-Verband bekommt die „taz“ für ihr Vorgehen Unterstützung: Als „Politprofi“ hätte Rösler die Angelegenheit anders handhaben müssen. Einige Leser bekräftigten im Blog die Zeitung ebenfalls in ihrem Vorgehen.

Auch in der Redaktion ist das Interview umstritten

Doch auch intern ist das Interview umstritten. Die „taz“ habe mit der Veröffentlichung ein peinliches „Eigentor“ geschossen, heißt es aus der Redaktion. Bei der Genossenschaftsversammlung am kommenden Samstag dürfte das Interview ebenfalls Thema sein. Mit der Kritik geht die „taz“ bereits jetzt offensiv um. So veröffentlichte sie am Mittwoch neben Pohls Stück ein Gespräch mit Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung. „Unverschämt“ seien die Fragen an Rösler gewesen, sagte Reinfrank: „Leute, die von Rassismus betroffen sind, muss man nicht weiter damit quälen.“ An Röslers Stelle wäre er aus dem Interview rausgegangen. Auf dem Blog kommentieren die Leser empört weiter. Abo-Kündigungen hat es wegen des Interviews allerdings noch nicht gegeben, sagte „taz“-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch.

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