zum Hauptinhalt
"Schatten der Angst" - Tatort-Krimi aus Ludwigshafen

© SWR

Krimi-Serie: Im Namen der Ehre

Mit Verspätung: Im verschobenen Ludwigshafen-„Tatort“ bekommt Kommissarin Lena Odenthal Probleme mit türkischen Wertvorstellungen. Der Film regt auf, regt an, mischt sich ein.

Eigentlich läuft dieser „Tatort“ ja acht Wochen zu spät. „Schatten der Angst“ sollte ursprünglich am 10. Februar ausgestrahlt werden, sieben Tage nach der schweren Brandkatastrophe in einem Ludwigshafener Haus, bei dem neun Türken ums Leben kamen. Ludwigshafen ist das Fernseh-Revier von Kommissarin Lena Odenthal alias Ulrike Folkerts, und weil diese „Tatort“-Ausgabe Konflikte im türkischstämmigen Milieu zum Thema hat, wurde der Krimi kurzfristig verschoben – „aus Rücksicht auf eine große Trauergemeinde, deren Gefühle wir nicht verletzen wollen“, so SWR-Intendant Peter Boudgoust im Februar.

Der verschobene „Tatort“ – fast ein Skandalon der Fernsehgeschichte damals. Nachdem sich die Aufregung um die Ermittlungen nach der Brandkatastrophe etwas gelegt hat, wird deutlich, welche herausragende Geschichte der Krimi-Gemeinde vorenthalten wurde. „Einen Lena-Odenthal-,Tatort’“ kündigt der Südwestrundfunk an, und tatsächlich: Es hat den Anschein, als ob Buch (Annette Bassfeld-Schepers und Martin Eigler, der auch Regie führte) und Hauptfigur, immerhin die dienstälteste „Tatort“-Ermittlerin, immer mehr zusammenrücken. Dass Lena Odenthal zur Qualitätsmarke wird. Ulrike Folkerts und Andreas Hoppe als brummbäriger Kollege Mario Kopper fühlen sich in diesem Multikulti-Krimi sichtlich wohl, spielen wie von der Leine gelassen, vielleicht auch deswegen, weil der Impuls zu dieser etwas anderen Geschichte über Frauen in Gefahr von Ulrike Folkerts selber stammt.

Die falsche Fährte am Anfang ist klassisch. Der deutsch-türkische Restaurantbesitzer Ercan Celik wird ermordet, offenbar das Opfer einer Mordserie unter türkischen Gewerbetreibenden, die das LKA untersucht. Odenthal und Kopper konzentrieren sich bei ihren Ermittlungen aber immer mehr auf die Familie von Celiks Schwager und erfolglosen Geschäftspartner Önder Sahin, in der es große Spannungen und eine Mauer des Schweigens gibt. Mittendrin: Celiks Frau Derya (eine Entdeckung: Sesede Terziyan), die seit längerem versucht, aus einer arrangierten Ehe auszubrechen. Zu der verkappten Rebellin, die sich bedingungslos unterordnen soll, baut – typisch Lena – Kommissarin Odenthal eine besondere Beziehung auf. Und dann ist da noch Deryas Bruder Baris (grandios auf dem schmalen Grat zwischen Schwesternliebe und Familienehre: Ludwig Trepte), der vor einer schweren Entscheidung steht ...

Man ahnt, worauf das hinausläuft. Jährlich werden laut UN-Weltbevölkerungsbericht etwa 5000 Mädchen und Frauen in mindestens 14 Ländern im Namen der Ehre ermordet, nicht nur in der Türkei. Bei allen leisen Zwischentönen und differenzierter Betrachtung lehnt sich der „Tatort“ dazu ziemlich weit aus dem Fenster. Zwangsehe, Verbrechen im Namen der Ehre, Kritik an vielen Familien in Deutschland mit Migrationshintergrund – bei diesen Themen haben schon manche Redakteure gekniffen.

Der Südwestrundfunk zeigte Mut, in zweierlei Hinsicht. Folkerts sagte nach dem Ludwigshafener Brand und der Verschiebung des „Tatorts“ im Februar, sie könne die Entscheidung der ARD nachvollziehen. Die Wogen seien zu hochgeschaukelt, „dieser sensible Film würde im Moment missbraucht werden, von allen Seiten“. Im Grunde genommen kann er das jetzt, acht Wochen später, immer noch. Der Film regt auf, regt an, mischt sich ein. Wagt was. Das ist nicht das Schlechteste, was man von einem „Tatort“ sagen kann.

Parallel zur Ausstrahlung wird der SWR zu diesem „ Tatort“ übrigens unter www.swr.de/tatort ein moderiertes Forum für Diskussionen über das Thema anbieten. Unter dieser Adresse kann „Schatten der Angst“ zudem eine Woche lang als Internet-Video abgerufen werden.

„Tatort – Schatten der Angst“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false