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FLACH-TV: Lieber gerührt als geschüttelt

Eine Bilanz des Schreckens: Im deutschen Fernsehen ist der Feminismus tot und die Chauvinisten sind verschwunden

Marie-Claude Karera absolvierte einen Kurzauftritt als barbusige Masseuse des öligen Zollfahnders Kressin im „Tatort“, bevor sie in Hans-Joachim Kulenkampffs kurzlebigem Quiz „Acht nach Acht“ die Assistentin des ebenfalls mit Hang zum Herrenwitz ausgestatteten Showmasters wurde. Die „Hörzu“ empörte sich ausführlich über die nackte Vergangenheit der jungen Frau aus Ruanda. In seiner nächsten Sendung präsentierte „Kuli“ sie in einem zunächst alles verhüllenden Nonnenkostüm, dessen sie sich im Laufe der Sendung nach und nach bis auf Unterwäsche und Strapse entledigte. Die Strategie des Affirmativen: Man entkräftet die Empörung, indem man sie bestätigt.

Ende Januar konnte man auch im ZDF „heute journal“ eine entblößte Schwarze sehen. Es handelte sich um eine späte Überlebende des Erdbebens, die halb bewusstlos unter Trümmern hervorgezogen und abtransportiert wurde. Zwar bedeckte man sie mit einer wärmenden Folie, ihre Brüste jedoch blieben dekorativ entblößt, und die Kamera hielt wacker drauf. Bereits bei mittlerer Sensibilität könnte ein Mensch diese Einstellung als sexistisch und rassistisch betrachten. Die moderierende Marietta Slomka hingegen war in ihrer Abmoderation des Beitrages damit ausgelastet, das „Wunder von Port au Prince“ zu preisen, also einen emotionalen Moment zu beschwören. Die Strategie der Naiven, man ersetzt Haltung durch Gefühl. Wo ist „Kuli“, wenn man ihn braucht?

Der Feminismus im Fernsehen, so es ihn je gab, hat nur in Form des Schreckgespenstes überlebt. Fem TV sollte der neue, nun ja, Frauensender heißen, der dieser Tage an den Start geht. Das aber, so die Senderchefin Katja Hofem-Best, habe feministische Assoziationen freigelegt, und die sind wohl immer noch in der Lage, eine ohnehin nicht messbare Zuschauerzahl zu minimieren. Kaum ein Interview, in dem prominente Frauen sich nicht ungefragt und ohne Not vom Feminismus distanzieren. Jetzt heißt der Sender Sixx, wie Sex im Mietwagen, aber mit doppeltem X-Chromosom.

Mit der laut denkenden Frau hat das deutsche Fernsehen in einem Akt ausgleichender Ungerechtigkeit auch ihr Gegenstück kassiert. Den Macho, den Sexisten, den Stenz, also jeden Mann, der gerne mit vielen Frauen schläft und aus seinem zerwühlten Bett keine Mördergrube macht. Der ist nicht mehr fiktionstauglich. Zumindest nicht als Objekt der Begierde, höchstens als Ausschussware. Frauen, die keine Feministinnen mehr sind, müssen also keine Programme mehr ertragen, deren Helden Chauvinisten sind. Keine Monaco Franze mehr, bei dem „a bisserl was“ immer geht, kein Zollfahnder Kressin, der in einem „Tatort“ schon mal mit zwei verheirateten Frauen schläft, kein Götz George, der als Titelheld von „Das Schwein – Eine deutsche Karriere“ die Nase vorn behält. Zuschauerinnen wollen gerührt und nicht geschüttelt werden, so denken sie oder so denkt man sie sich im Sender, und am Ende der Bewegung stehen Erol Sander und Wayne Carpendale.

Der Chauvi hat nur in der freien Wildbahn der Nonfiktion überlebt: Er sitzt in der „DSDS“- Jury als Dieter Bohlen, inszeniert aufwändige Mehrteiler und verfasst ranzige Erinnerungen als Dieter Wedel, erklärt als medial bedauerter Sträfling Polanski, dass alle Männer gerne kleine Mädchen mögen oder heißt gleich Patricia Riekel und findet es als „Bunte“-Chefin toll, dass starke Frauen ihren fremdgehenden Männern die Stange halten; wo er jedoch romantischen Bedürfnissen ins Gehege kommt, ist er ausgestorben. Im Reservat der fiktionalen Programme sind die Frauen Jägerinnen. Sie jagen, je nach Genre, entweder nach dem Glück oder nach der Wahrheit. Im ersten Fall ist der Beruf egal, der Mann aber nicht, im zweiten Fall ist es umgekehrt. Im ersten Fall sucht die Frau den Richtigen, im zweiten den Verdächtigen. Sowohl in der Romanze als auch im Krimi irren sich die als stark apostrophierten Frauen mehrfach entlang der üblichen Verdächtigen, bevor sie den Richtigen finden. Fürs Leben oder für den Knast und davor bitte viele emotionale Momente.

Sex ist bis auf Weiteres abgeschafft. In der Romanze folgt er auf den Abspann, im Krimi ist die Heldin zu abgespannt. Und wenn er doch mal passieren soll, begnügt sich das Drehbuch gerne mit dem Satz „Sie lieben sich“ und mit possierlichen drei Punkten, die beim Dreh in die Abblende oder in die lustlose Spielaufgabe für die Darsteller mündet: „Dann macht mal.“

Wer die intellektuelle wie sexuelle Spannung zwischen den Geschlechtern nicht ernst nimmt, kann auch die Körper nicht ernst nehmen. Schlechter Sex hat stereotype Bilder und guter gar keine mehr.

Wo die Geschlechterpole im Fernsehen unter systematischer emotionaler Wärmezufuhr abschmelzen, bricht sich die Natur des Mediums wie seiner Konsumenten anderweitig Bahn: Während Mutti also Pilcher oder Pilawa guckt, erleichtert sich Papi am Rechner bei Youporn-Einspielern, die Kinder klatschen im Kino so begeistert wie erleichtert Beifall, wenn Bushido seiner Freundin endlich eine reinhaut, und der denkende Rest guckt die US-Serie „Boston Legal“ auf DVD.

Darin lässt der senile, reaktionäre und verfettete Waffennarr Denny Crane als Seniorchef einer Anwaltskanzlei mit stolzgeschwellter Brust keine Peinlichkeit aus. Er schießt auf ungeliebte Mandanten, belästigt jede Frau mindestens verbal, macht eine Zwergin zum Objekt unkontrollierbarer Begierde und vergisst alles außer seinem Namen. In seinem ganzen Irrsinn ist der von William Shatner verkörperte, selbstergriffene Antiheld eine der realistischsten Figuren, die das US-Fernsehen jemals hervorgebracht hat. Mit Sicherheit würde Denny Crane ungefragt erklären, er sei Feminist. Und die Nummer mit der schwarzen Nonne – auf die wäre er sicherlich auch gekommen.

Die Autorin ist Inhaberin von Barbarella Entertainment, einer Künstler– und Veranstaltungsagentur.

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