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Nix wissen, viel meinen: Corona-Leugner protestieren

© picture alliance/dpa

MEDIA Lab: Vorsicht, Ignoranz!

Stephan Russ-Mohl sorgt sich um unser Informationsverhalten in Corona-Zeiten

Leider ist es mit unserer Vernunft nicht ganz so weit her, wie wir es uns gerne zugutehalten. Renata Salecl (University of London) hat deshalb der Frage nachgespürt, was wir warum nicht wissen wollen. „A Passion for Ignorance“ ist ihr Buch betitelt, und die Soziologin und Philosophin hält uns darin den Spiegel vor. Sie spürt der Frage nach, wie selektiv wir in Zeiten der Informationsüberflutung, aber auch der Desinformations-Pandemie Nachrichten verarbeiten und wie die Wissens- und Aufmerksamkeitsökonomie umzukippen droht in eine Gesellschaft, die Ignoranz und Anti-Aufklärung prägen.

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Salecl zeigt einerseits, dass es zur Conditio humana gehört, dass wir immer wieder den Kopf in den Sand stecken, andererseits aber auch, wie viele neue Fallstricke selektiver Informationsverarbeitung durch Digitalisierung und Datenflut hinzugekommen sind. So habe zum Beispiel die Liebe sprichwörtlich schon immer „blind“ gemacht, aber die Algorithmen von Tinder und anderen Dating-Plattformen revolutionieren eben doch die Art und Weise, wie wir uns selbst präsentieren und was wir andererseits über uns verheimlichen.

Wenn Liebe in Hass umschlägt

Die Forscherin erinnert auch daran, wie schnell Liebe in Hass umschlagen kann – weil beide letztlich davon leben, dass einseitige Wahrnehmung Entscheidendes ausblendet. Das gilt nicht nur bei den zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch in der Gesellschaft, soll heißen: gerade in Corona-Zeiten im Verhältnis zwischen Obrigkeit und „Untertanen“. Wenn die großen Vereinfacher das Sagen haben, die entweder das Virus leugnen oder die Lockdowns für „alternativlos“ halten, wenn in Politik und in den Medien für differenziertere Positionen wenig Platz ist – dann schlittern wir womöglich in bürgerkriegsähnliche Zustände, wenn sich herumspricht, dass nicht das Virus an allem schuld ist, sondern an vielem unser medialer, politischer und bürokratischer Umgang mit ihm.

Stephan Russ-Mohl

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