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Nein! Oder doch ja?  In der gesamten Schweiz tobt der Meinungskampf darüber, ob die Medien deutlich stärker vom Staat gefördert werden sollen.

© dpa

Medienförderung in der Schweiz: Mehr Staatsknete für Medien?

Die Schweizer stimmen am Sonntag über ein ganzes Paket zur Medienförderung ab – mit ungewissem Ausgang.

Der Autor hat als Professor für Journalistik und Medienmanagement von 2002 bis 2018 in der Schweiz an der Universität in Lugano gelehrt. Er ist Mitherausgeber von „Zerreißproben. Leitmedien, Liberalismus und Liberalität“.

Am 13. Februar entscheiden die Schweizer über ein ganzes Paket zur Medienförderung. Stimmen sie mit Ja, werden die bisherigen Subventionen im Mediensektor für sieben Jahre auf 151 Millionen Franken jährlich aufgestockt.

Das ist deshalb spannend, weil vergleichbare politische Entscheidungen auch in Deutschland über kurz oder lang anstehen. Der Ausgang der Abstimmung ist indes ungewiss: Befürworter und Gegner halten sich in Umfragen nahezu die Waage.

Allerdings ist das Paket so geschnürt, dass es den Stimmbürgern schwerfallen dürfte, sich zu entscheiden. Zum einen geht es darum, zukunftsorientiert Startups im Online-Journalismus, Nachrichtenagenturen, lokale und regionale Radios und TV-Anbieter sowie die Journalistenausbildung und den Presserat zu fördern – Letzteren als Schiedsinstanz, die Konflikte über die Berichterstattung bereinigen und die Journalisten auf ein Mindestmaß an ethischen Spielregeln verpflichten soll.

Andererseits ist vorgesehen – und das ist die Kröte, die es für viele zu schlucken gilt –, auch hochprofitable Medienkonzerne wie die TX Group oder Ringier zusätzlich zu fördern, weil die Zeitungszustellung mehr als bisher subventioniert werden soll. Etwa ein Drittel der Fördermittel, so haben Experten ausgerechnet, käme den vier größten Medienunternehmen der Schweiz zugute. Man kann sich also nicht die Rosinen herauspicken und auswählen, was gefördert werden soll, sondern muss sich bei der Abstimmung für alles oder nichts entscheiden.

Otfried Jarren, Honorarprofessor an der FU Berlin, präsidierte bis vor Kurzem die Eidgenössische Medienkommission und war damit der medienpolitische Chefberater der Schweizer Bundesregierung. Er sieht das Medienförderungspaket als „politischen Kompromiss“, der „etablierte Strukturen erhalten“ will und zu wenig auf „Innovationen, Marktzutrittsförderung, Wettbewerb“ setzt.

Für problematisch hält er die Förderung des Zeitungsvertriebs, weil diese Mittel in „Vertriebsorganisationen, nicht in journalistische Infrastrukturen fließen“ und so eben auch wirtschaftlich starke Medienhäuser an der Förderung partizipieren würden. Jarren resümiert, wenn künftig auch die privatwirtschaftliche Presse öffentliche Mittel erhielte, wäre das „eine bemerkenswerte politische und kulturelle Veränderung“.

Wenn das Volk eine Initiative ablehnt, ist sie auf lange Zeit politisch vom Tisch

Die Gegner befürchten, dass mit der Förderung der staatliche Einfluss auf die Redaktionen deutlich zunehmen könnte und die Pressefreiheit gefährdet wäre. Dies hält Manuel Puppis für unbegründet. Der Medienwissenschaftler von der Universität Fribourg meint, dass schon heute „die Schweiz den Lokal- und Regionalrundfunk direkt fördert, ohne dass man diesen Sendern vorwerfen kann, dass sie staatsnah sind“. Mit Schweden, Norwegen oder Dänemark gebe es dafür weitere gute Vorbilder, so Puppis.

Der Staat erhalte „keinen Hebel, um Medien mit besonders staatskritischer Berichterstattung abzustrafen“.

Das Medienförderungs-„Päckli“ ist ein Beispiel, an dem sich die Chancen und Grenzen direkter Demokratie veranschaulichen lassen. Denn einerseits hat in der Schweiz der Souverän das Sagen. Was zu guter Letzt „alternativlos“ ist, entscheidet das Volk. In der Schweiz ist es damit auch der Souverän, der „basta“ sagen kann.

Das ist womöglich der nachhaltigste Effekt solcher Abstimmungen: Wenn das Volk eine Initiative ablehnt, ist sie auf lange Zeit politisch vom Tisch.

Zu befürchten ist allerdings, dass es den Schweizern nicht anders geht als den Bürgerinnen und Bürgern anderswo: Wie es um den „Gesundheitszustand“ von Journalismus und Mediensystem bestellt ist, darüber klären die Medien nur selten auf.

So nimmt es nicht wunder, dass bei einer Umfrage 2021 rund 30 Prozent der Befragten nicht wussten, ob die Schweizer Medien finanziell besser dastehen als früher. Weitere 30 Prozent meinten ja, rund 41 Prozent meinten, Schweizer Medien seien weniger oder höchstens gleich profitabel wie vor zehn Jahren.

Das ist verwunderlich angesichts des dramatischen Verlusts an Werbeeinnahmen, der kontinuierlichen Schrumpfung und Zusammenlegung von Redaktionen und der in der Schweiz sehr weit fortgeschrittenen Medienkonzentration sowie von Qualitätsverlusten des Journalismus, welche Forscher jährlich neu im „Jahrbuch Qualität der Medien“ dokumentieren.

Es zeugt aber auch davon, dass die Medien sich schwertun, in eigener Sache hinreichend aufzuklären.

Stephan Russ-Mohl

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