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Medien: Nach dem Tod ist spannender

Mit „R.I.S. – Die Sprache der Toten“ wagt sich nun auch Sat 1 an eine eigene Rechtsmedizinerserie

DNA-Analysen, Computerbildbearbeitung, Laborexperimente, Makrofotos – wer sich schon seit ein paar Jahrzehnten Krimis im Fernsehen anschaut und derzeit öfter abends in der sogenannten Primetime hängen bleibt, fragt sich, wie zum Teufel Derrick früher seine Fälle überhaupt lösen konnte, als es das Wort Primetime und modernste wissenschaftliche Methoden noch gar nicht gab. Jedenfalls nicht so wie Philip Jacobi alias Julian Weigend in der neuen Sat-1-Krimiserie „R.I.S. – Die Sprache der Toten“. Jacobi trägt keinen Trenchcoat und ist auch kein Oberinspektor, sondern studierter Molekulargenetiker, vor allem aber Chef der Berliner „Rechtsmedizinischen Investigativen Sonderkommission“, kurz „R.I.S.“

Nicht nur diese modische Abkürzung erinnert stark an das US-Erfolgsformat „CSI“. Mit Ablegern wie „CSI: Miami“ und „CSI: NY“ haben Vox und RTL im letzten Jahrzehnt das Thema Rechtsmedizin und damit ein etwas anderes Krimigenre im deutschen Fernsehen hoffähig gemacht: Profiler, die mit Hilfe kleinster Spuren große Verbrechen aufklären, haben Hochkonjunktur. Ab heute also auch bei Sat 1 mit einem eigenproduziertem Rechtsmedizinerformat. Wobei es, mal abgesehen von diversen deutschen Serienflopps in jüngster Vergangenheit („Blackout“), schon ziemlich erstaunlich ist, dass das Phänomen „CSI“ im Presseheft des Privatsenders kein einziges Mal erwähnt wird, dafür aber eine italienische Krimiserie, die hier adaptiert worden sei, dazu noch der durchaus interessante „Tipp“ eines US-Autors für den perfekten Mord: „Die sicherste und unauffälligste Art, jemanden um die Ecke zu bringen, ist nachts, ohne Zeugen, am Ufer irgendeines verlassenen Gewässers, in das man das Opfer stoßen kann, wobei man natürlich Handschuhe trägt.“

Das ist genau die richtige Einstimmung auf die „R.I.S.“-„CSI“-„Post Mortem“Welt. Wo normale Polizei nicht mehr weiterkommt, rückt irgendwo immer eine Sonderkommission mit modernsten wissenschaftlichen Methoden an, ab heute zwölf Wochen lang Jacobis Berliner Team (Motto: „Genauigkeit ist unser Job“). Die „R.I.S.“ hat es in der ersten Folge mit dem vermeintlichen Selbstmord eines reichen Unternehmers zu tun. Dass der sich allerdings nicht selbst in den Swimmingpool gelegt hat und in dessen Familie einiges krumm ist, dürfte den Zuschauern selbst ohne dreifache Spurenauswertung und Ballistik recht schnell klar sein.

CSI hin, Italien her, fest steht, und das ist letztendlich gut so, TV-Strafverfolgung hat sich seit Derrick verändert. Fest steht aber auch, dass den mit der US-Crime-Schablone gefertigten deutschen Edelkrimis wie jüngst der RTL-Produktion „Post Mortem“ mit Hannes Jaenicke auf Dauer die Luft ausgeht. Sicher, „R.I.S.“ ist solide Unterhaltung und wird den einen oder anderen jüngeren „Tatort“-Zuschauer vom Ersten abziehen. Das Sat-1-Ensemble ist auserwählt: Schimanski-Assi Julien Weigend als nie lächelnder Chef, Hansa Czypionka als Mentor Paul Schneider, Tillbert Strahl-Schäfer als Frauenheld, Ballistiker Timo Braun und Jana Klinge als Informatikerin Marie Severin mit dunklem Geheimnis. Auch der Bildschirm wird flott geteilt, und die Kamera tanzt selbst im Dunkeln, unterlegt von jazzig-elektronischer Musik. Schließlich die Gruppenarbeit der Autoren und die wissenschaftliche Beratung der Serie – alles wirkt profund. Nur: Seele hat das Ganze nicht. Und diese Erfahrung möchte man dann doch lieber mit dem US-amerikanischen Original machen.

„R.I.S. - Die Sprache der Toten“,

Sat 1, 21 Uhr 15

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