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Lange übersehen. In den National Archives in Washington ist eine mysteriöse Skizze aufgetaucht, die sechs unentdeckte Bunker in Buchenwald anzeigt.

© Arte/In One Media

Nazigold in Buchenwald?: Arte begibt sich auf Spurensuche

Die Arte-Dokumentation „Die geheimen Depots von Buchenwald“ erinnert streckenweise an „Jäger des verlorenen Schatzes“.

Um verstecktes Raubgold ranken sich seit Ende des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Legenden. Systematisch eigneten sich die Nationalsozialisten das Vermögen von Juden an, die später deportiert und ermordet worden sind. Nur ein Teil dieser Schätze wurde wiedergefunden. Selbst nach Argentinien soll geraubtes Gold mit U-Booten verbracht worden sein.

Eine der wildesten Geschichten kreist um den Steinbruch des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald. Etwa 266 000 Menschen haben die Nazis dort eingesperrt. Bis zu 15 Stunden täglich mussten Zwangsarbeiter Steine brechen. Das Baumaterial wurde in der wachsenden Gau-Hauptstadt Weimar benötigt. Geschätzte 56 000 Menschen kamen dabei qualvoll zu Tode: Vernichtung durch Arbeit.

[„Die geheimen Depots von Buchenwald. Lösung eines Rätsels“, in der Arte-Mediathek]

Nach ihrer Ankunft am 11. April 1945 befreiten US-amerikanische Truppen das Todeslager. Dabei entdeckten GIs auch zwei geheime Bunker, in denen tonnenweise Raubgut versteckt war. Die Kostbarkeiten stammten vorwiegend aus dem Besitz von Juden, die in Vernichtungslagern im Osten ermordet worden waren. Gegen Kriegsende transportierte die SS die Habseligkeiten nach Buchenwald. US-Wochenschaufilme zeigen amerikanische Soldaten beim Sortieren von Wertgegenständen, darunter auch Gold. Mit neun Lkw-Ladungen wurde das Raubgut nach Frankfurt verfrachtet und von dort weiter in die USA transportiert.

Ende der 1980er Jahre tauchte in den „National Archives“ in Washington eine handgezeichnete Skizze auf. Die anonyme Zeichnung gibt Hinweise auf sechs weitere geheime Bunker auf dem Gelände des KZ Buchenwald. Seither halten sich Gerüchte um Verstecke mit sagenhaften Schätzen. Befindet sich gar das legendäre Bernsteinzimmer in einem Stollen auf dem Gelände des früheren Konzentrationslagers?

Peter-Hugo Scholz hat dieses Thema umfänglich recherchiert. Bis zu seinem überraschenden Tod im September 2019 sprach der Leipziger Journalist und Filmemacher mit Zeitzeugen, Militärhistorikern, Geologen und Bergbauexperten. Das Ergebnis seiner Nachforschungen ließ es wahrscheinlich erscheinen, dass es auf dem Gelände des einstigen Konzentrationslagers tatsächlich unentdeckte Hohlräume gibt.

Mit Bagger, Schaufel und Spitzhacke

Die Verantwortlichen der Gedenkstätte Buchenwald standen vor einer schweren Entscheidung. Soll man auf dem Gelände der Gedenkstätte tatsächlich mit Bagger, Schaufel und Spitzhacke anrücken? Ist das ethisch vertretbar? Der Historiker Volkhard Knigge, bis April 2020 Stiftungsdirektor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, macht aus seinem Unbehagen keinen Hehl: „Ist es wirklich an der Geschichte eines Konzentrationslagers das Wichtigste, die Frage zu stellen, wo das Bernsteinzimmer vergraben ist?“

Immerhin, so ein Argument für Grabungen, könnten sich in einem unentdeckten Bunker noch Akten des SS-Führungshauptamtes befinden, das in den letzten Kriegsmonaten von Berlin nach Buchenwald verlegt worden war. Ein solcher Fund wäre für die Forschung von großer Bedeutung.

Die einstündige Dokumentation spricht allerdings eine etwas andere Sprache. Der Film, unterlegt mit dramatischer Musik, folgt einem klaren Spannungsbogen. Wie Puzzleteile greifen die einzelnen Schritte der Recherche ineinander. Man denkt unwillkürlich an „Jäger des verlorenen Schatzes“. Schließlich folgt der große Moment: Die Baggerschaufel gräbt sich in den Berg und gibt nach einiger Zeit bislang unbekannte Hohlräume frei.

Auf diese Entdeckung folgt dann rasch die Ernüchterung. Denn mit Ausnahme eines verbeulten Fasses, einer verrosteten Lore und kistenweise Munition sind diese Bunker, die kurz noch vor Kriegsende angelegt worden waren, leer. Kein Bernsteinzimmer, keine SS-Akten, nichts.

Die ergebnislosen Grabungen schaffen immerhin Klarheit. Die Gedenkstätte Buchenwald ist fortan nichts anderes mehr als eine Gedenkstätte. Beendet sind Spekulationen um vermeintliches Nazigold. Das heißt: Vollständig beendet sind sie nicht. Aufgrund der leeren Kammern entschlossen sich die Verantwortlichen der Gedenkstätte dazu, nur vier der sechs unbekannten Stollen zu öffnen. Zwei Bunker bleiben weiterhin ein Rätsel.

Manfred Riepe

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